Berlin, 11. Januar 2019. Es ist in den vergangenen Wochen durch die Medien gegangen: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn möchte seinem Ministerium eine Verordnungsermächtigung gönnen. Damit will er die Möglichkeit haben, den gesetzlichen Krankenkassen die Kostenübernahme für bestimmte medizinische Untersuchungs- und Behandlungsmethoden als Kassenleistung zu verordnen. Und das auch dann, wenn der bisher dafür zuständige Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) das nicht befürwortet oder sich noch gar nicht damit befasst hat. Gleichzeitig will Spahn darüber bestimmen können, welche Qualitätsanforderungen mit dieser Leistung verbunden werden und wie die Vergütung zu regeln ist.

Spahn macht seinen Vorstoß an dem Krankheitsbild Lipödem fest, einer krankhaften Fettansammlung, an der vor allem Frauen leiden. Einzige Behandlungsmöglichkeit ist hier eine Fettabsaugung, sie wird aber von den Kassen bisher nicht erstattet. Aufgrund der Diskussion hat der G-BA inzwischen eingelenkt und die Liposuktion für schwer Erkrankte bis zunächst 2024 zur Kassenleistung erklärt.

Trotzdem bekam Jens Spahn mit solchen Forderungen natürlich ordentlich Gegenwind. Der Präsident des Bundessozialgerichts (BSG), Rainer Schlegel, hält Spahns Vorstoß einen „gefährlichen Eingriff in die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen“, der Lobbygruppen stärke. G-BA Chef Prof. Josef Hecken hält das für „systemfremd, unangemessen und überzogen“, die SPD möchte nicht, dass „Parallelstrukturen im Regierungsapparat, losgelöst von wissenschaftlichen Prozessen und Erkenntnissen über Behandlungsmethoden entscheiden“. Auch die Grünen sind skeptisch und befürchten, Spahn könne damit „wirtschaftlichen Interessen“ den Weg bereiten. Sie finden es sinnvoller, die Patientenvertretung im G-BA zu stärken. Alle drei Parteien (CDU, SPD, Grüne) sind sich jedoch darin einig, dass sich diverse Diskussionen im G-BA definitiv zu lange hinziehen – zum Nachteil der Patient*innen.

GESUNDHEIT AKTIV meint:
„Dass sich Jens Spahn in dieser Weise einmischt, ist durchaus mutig“, kommentiert Stefan Schmidt-Troschke, Geschäftsführender Vorstand des Bürger- und Patientenverbands. „Der G-BA mitsamt dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) suggerieren, dass ihre Entscheidungen aufgrund von objektiven Wahrheiten zustande kommen. Das ist aber keineswegs der Fall! So wichtig es ist, dass Erstattungsfragen auf einer guten wissenschaftlichen Grundlage stehen: Viele Entscheidungen berücksichtigen nicht die eigentlichen Präferenzen von Patient*innen und Bürger*innen. Gesundheit und Krankheit sind nunmal von Werten geprägt, die jeder unterschiedlich sieht. Gerade hier ist die Politik stärker gefordert.“

Quellen:
Ärztezeitung online, 11. Januar 2019
Presseagentur Gesundheit, 1. Februar 2019
aerzteblatt.de, 5. Februar 2019

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