Berlin, 30. Januar 2019. Da war Jens Spahn wohl doch etwas zu forsch: Seine eigenen Parteikollegen, aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, haben seinen Vorstoß gestoppt, Gentests an in der Petrischale gezeugten Embryonen im Rahmen einer künstlichen Befruchtung zur Kassenleistung zu machen. Mit einer solchen „Präimplantationsdiagnostik“ (PID) lassen sich u.a. genetisch bedingte Krankheiten erkennen, darunter auch eine Trisomie 21, das sogenannte Down-Syndrom. Die „fehlerhaften“ Embryonen werden dann verworfen und der Frau gar nicht erst in die Gebärmutter eingesetzt. Auch ein Bluttest in der Frühschwangerschaft kann solche Fehlbildungen zeigen. Viele Frauen brechen die Schwangerschaft dann ab, oder es wird ihnen nahegelegt, das zu tun.

Ob solche Tests künftig regelhaft vorgenommen und von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden müssen, ist höchst umstritten. Wenn es nach Spahns Willen gegangen wäre, hätten die Abgeordneten die geplante Änderung zur Finanzierung der Präimplantationsdiagnostik gleich mit dem Terminservicestellen-Gesetz verabschiedet. Daraus wird nun nichts. Inzwischen hat Jens Spahn einen Rückzieher gemacht und sich dafür ausgesprochen, das Thema ausführlicher zu beraten.

Gegen den Bluttest als Regelleistung in der Frühschwangerschaft haben sich der Deutsche Caritasverband (DCV), der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) und der Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) entschieden gewehrt: „Viele Menschen mit Behinderung empfinden die Aufnahme des Bluttests in die kassenärztlichen Leistungen als Hinweis darauf, dass sie in unserer Gesellschaft zunehmend nicht mehr erwünscht sind“, sagt Johannes Magin, 1. Vorsitzender des CBP. Und die Bundesvorsitzende des Sozialdienstes katholischer Frauen ergänzt: „Unsere Erfahrungen zeigen, dass der Druck auf werdende Eltern von Ärzten, Lebensumfeld, aber auch den Krankenkassen wächst, alle diagnostischen Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen, um die Geburt eines Kindes mit bestimmten genetischen Auffälligkeiten auf jeden Fall zu verhindern.“ Denn, so Caritas-Präsident Peter Neher: „Wenn sich der Wert eines Menschen danach bemisst, ob er nach gängigen Vorstellungen gesund ist, führt das dazu, Menschen in ‚lebenswert‘ und ‚nicht lebenswert‘ einzuteilen.“

GESUNDHEIT AKTIV meint
„Diese Frage muss gesellschaftlich diskutiert und politisch entschieden werden“, sagt Stefan Schmidt-Troschke, Geschäftsführender Vorstand des Vereins. „Es zeigt sich erneut: Hier geht es um eine Wertentscheidung, die zu treffen nicht den Interessensverbänden im Gesundheitswesen überlassen werden darf. Der Gemeinsame Bundesausschuss besitzt nicht die demokratische Legitimation und darf in solchen Angelegenheiten nicht das letzte Wort haben. Politik versteckt sich in solchen Fällen gerne hinter Technokraten. Spätestens hier sind die Bürger*innen, mindestens aber die Parlamentarier*innen selber gefragt."

Weitere Informationen zu Vorteilen und Risiken der Pränataldiagnostik auf der Webseite von GESUNDHEIT AKTIV

Quellen:
Pressemitteilung Caritasverband, 17. Januar 2019
welt.de, 30. Januar 2019

Von unserem Mitglied J. Messerschmid bekamen wir zu dieser Nachricht einen Leserbrief, mit der Bitte, auch die vielen anderen Organisationen zu bedenken, die sich für Menschen mit Behinderungen und deren Angehörigen stark machen und sich ebenfalls gegen den pränatalen Bluttest als Kassenleistung aussprechen, u.a.: Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e. V., Down Kind e. V., Gen-ethisches Netzwerk e. V.

zurück zur Übersicht