Die Masern-Impfpflicht soll eingeführt werden in Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen. Die Ärzte für Individuelle Impfentscheidung e.V., mit denen GESUNDHEIT AKTIV schon 2018 einen gemeinsamen Kongress zu diesem Thema veranstaltete, haben nun eine Petition auf den Weg gebracht, die sich deutlich gegen eine solche Impfpflicht wendet.

In einer Pressemitteilung weisen die Ärzte darauf hin, dass 97 Prozent der Eltern in Deutschland – so die offiziellen Zahlen des Robert-Koch-Instituts – ihre Kinder freiwillig mindestens einmal gegen Masern impfen lassen. Diese Zahlen seien seit Jahren konstant und widerlegen jede Behauptung von Impfmüdigkeit oder sinkender Impfbereitschaft, heißt es darin: „Mehr noch: Damit liegt die Durchimpfungsrate für Masern in Deutschland deutlich und seit Jahren über der in anderen Ländern Europas, die eine Masernimpfpflicht schon seit vielen Jahren eingeführt haben (z. B. Bulgarien, Kroatien, Polen, Tschechien, Ungarn). Die Effektivität einer Impfpflicht ist damit mehr als fraglich“.

In ihrer Erklärung machen die Ärzte deutlich, dass die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme nicht gegeben ist. Immerhin stellen Impfungen einen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Menschen dar, ein Recht, das durch das Grundgesetz geschützt ist. Es gibt in Deutschland und Mitteleuropa seit Jahren keine Infektionskrankheit, die so bedrohlich wäre, dass sie einen derartigen Eingriff in fundamentale Grundrechte rechtfertigen würde, betonen die Ärzte weiter.

In der Tat ist der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags bereits vor drei Jahren zu dem Schluss gekommen, dass eine Impfpflicht nicht leicht zu begründen sein dürfte: „Die Abwägung dieser widerstreitenden grundrechtlichen Interessen muss für jede Impfung bzw. jede Krankheit getrennt erfolgen. Das Interesse an der Impfpflicht wird sich dabei wohl nur bei Krankheiten durchsetzen können, bei denen eine hohe Gefahr eines fatalen Verlaufs für das Leben oder die Gesundheit der Kinder sowie eine nicht untergeordnete Ansteckungswahrscheinlichkeit besteht. Aber auch bei einer verfassungsrechtlich zulässigen Impfpflicht wird der Gesetzgeber Ausnahmeregelungen vorsehen müssen, damit auch der Angemessenheit des Grundrechtseingriffs in besonderen Einzelfällen Rechnung getragen werden kann.“

Eine Impfpflicht würde womöglich sogar das Gegenteil bewirken, wie auch der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission, Prof. Dr. Thomas Mertens, betont: „Eine Impfpflicht wäre in Deutschland eher kontraproduktiv. Dadurch würden hartnäckige Impfgegner nur zu Märtyrern aufgewertet. Auch eine indirekte Impfpflicht wie in den USA – ohne Impfschutz werden Kinder nicht in eine Schule oder einen öffentlichen Kindergarten aufgenommen – wäre in Deutschland kaum durchsetzbar. Die problematischsten Impflücken etwa bei Masern gibt es bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, da würde eine Impfpflicht für Kinder gar nicht helfen.“

GESUNDHEIT AKTIV meint
Die Politik ist offenbar aus Opportunitätsgründen bereit, die Einschränkung von Grundrechten zu beschließen, obwohl keine wirkliche Gefahr droht. Das Thema eignet sich gut, weil mit ansteckenden Krankheiten viele Ängste einhergehen, die bewusst geschürt werden. Politiker können sich dann als Problemlöser präsentieren.

Wie aber wäre es, wenn sie Maßnahmen ergreifen würden, die Gesundheit der Bevölkerung wirklich relevant zu schützen? Jüngst erst hatte der SPIEGEL über eine Studie berichtet, die zeigt, dass ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen ca. 100 Todesfälle durch überhöhte Geschwindigkeit vermeiden helfen könnte. Wie man sich wohl erinnert, hatte Bundesverkehrsminister Scheuer ja diese Maßnahme jedoch als „gegen jeden Menschenverstand“ gerichtet beschrieben … Und nun gelten bei einer Impfpflicht ganz andere Maßstäbe?

Ähnlich verhält es sich mit der lange bestehenden und wissenschaftlich gut begründeten Forderung, eine Zuckerreduktion in Nahrungsmitteln gesetzlich zu regeln. Hier hatte die derzeitige Ernährungsministerin Klöckner zu einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Industrie im Rahmen einer nationalen Strategie aufgerufen. Diese ist allerdings international gescheitert, wie die sog. LANCET-Kommission feststellt. So musste z. B. die oberste Gesundheitsbehörde in den Niederlanden zugeben, dass der Zuckergehalt aller untersuchten Produktgruppen im Zeitraum zwischen 2011 bis 2016 trotz Selbstverpflichtung gleich geblieben ist.

GESUNDHEIT AKTIV unterstützt die von den Ärzten für Individuelle Impfentscheidung initiierte Petition gegen eine Masern-Impfpflicht. Wir haben zwar nicht den Einfluss der Industrie, aber wir repräsentieren die Menschen, für die Politik eigentlich tätig sein sollte.

Quellen:
Wissenschaftliche Dienste des Bundestags zur Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Impfpflicht für Kinder
aerztezeitung.de
SPIEGEL-Online
THE LANCET

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