Es war schon ein recht dreister Vorstoß, den der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, sich da geleistet hatte. Er hatte die Meinung vertreten, dass es „keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit homöopathischer Verfahren“ gebe. Wer diese Mittel haben möchte, solle sie deshalb selbst bezahlen, und „nicht auf Kosten der Solidargemeinschaft.“ Das war ein Schlag ins Gesicht der gut 60.000 Ärzt*innen, die in Deutschland komplementärmedizinische Methoden anwenden, auch Homöopathika. Und Gassen, so ist nun mal seine Funktion, hat als KBV-Vorsitzender ALLE Ärzte zu vertreten, auch diese.

In einem Offenen Brief der Hufelandgesellschaft, dem Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ), der Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland (GAÄD) und dem Dachverband Anthroposophische Medizin in Deutschland (DAMiD) machten sie ihrer Empörung nun Luft und forderten Gassen zum Dialog auf. „Als hausärztliche Internistin mit verpflichtender Mitgliedschaft in der KV erwarte ich von Herrn Gassen, dass er auch mich und meine komplementärmedizinisch-integrativ tätigen Kolleginnen und Kollegen vertritt“, sagte Sabine Fischer, Vorstandsmitglied der Hufelandgesellschaft. Die Ärztegesellschaften kritisieren, dass Gassens Aussagen nicht mit dem Leitbild der KBV vereinbar seien. Darin heißt es: „Für die Patienten streben wir deren größtmögliche Zufriedenheit durch die konsequente Ausrichtung unserer Arbeit auf die Bedürfnisse der Patienten und durch mehr Selbstbestimmung Eigenverantwortung an.“ Gut drei Viertel der Bundesbürger hätten sich Umfragen entsprechend für eine Integrative Medizin ausgesprochen, mehr als die Hälfte ist gegen ein Verbot der Erstattung von Homöopathika.

Inzwischen hat der Bundesgesundheitsminister jedoch selbst eine Art Machtwort gesprochen und allen Homöopathie-Bashern die Luft aus den Segeln genommen. Beim „Berliner Salon“ des Redaktionsnetzwerkes Deutschland verwies Spahn darauf, es sei schon „okay“, wenn von den Gesamtausgaben der Kassen für Arzneimittel in Höhe von 40 Milliarden Euro gerade mal 20 Millionen auf die Homöopathie entfallen. Man könne darüber emotional diskutieren und dabei viele vor den Kopf stoßen. Oder man könne sich fragen, ob es das angesichts der gesamten Größenordnung wert sei. Für ihn sei das so in Ordnung. Er ist eben doch immer wieder für eine Überraschung gut, der Minister.  

Quellen:
aerztezeitung.de, 17. September 2019
Offener Brief an Dr. Andreas Gassen
spiegel.de, 17. September 2019

zurück zur Übersicht