Dieses Umfrageergebnis ist bemerkenswert und ist so sicher nicht erwartet worden: Knapp drei Viertel der Patient*innen sind gern bereit, ihre medizinischen Daten zu teilen, um neue Behandlungsmethoden zu entwickeln, die Kommunikation zu beschleunigen und zu verbessern, die Forschung zu unterstützen oder individuelle Gesundheitsangebote erstellen zu lassen. Für die meisten Befragten ist jedoch Voraussetzung, dass die Daten gut geschützt sind und ein Missbrauch glaubhaft ausgeschlossen ist. Auch darf dadurch der Versicherungsschutz nicht beeinträchtigt werden. Das ergab eine aktuelle Erhebung der SBK Siemens Betriebskrankenkasse.

Finanzielle Vorteile spielen bei der Freigabe der Daten keine Rolle – die Bereitschaft dazu war nicht abhängig davon, ob es dafür einen Bonus gibt. Interessant war, dass die Bereitschaft bei Kranken größer war als bei Gesunden. Es sei noch nicht ausreichend bekannt und transparent, worin der Nutzen bestehe, die eigenen Daten zu teilen, sagt Dr. Hans Unterhuber, Vorstandsvorsitzender der SBK.

Die Umfrage erscheint umso bedeutsamer, als der Bundestag Anfang November ein Gesetz für mehr Digitalisierung im Gesundheitswesen (DVG) verabschiedet hat. Damit soll eine zentrale Datenbank geschaffen werden, in die die Daten der über 73 Millionen Krankenversicherten einfließen: Alter, Geschlecht, Versicherungsverhältnis, Bezug von Leistungen, Behandlungen, Gesundheitsstatus. Eine Einwilligung dafür ist nicht mehr erforderlich. Es gibt auch keine Widerspruchsmöglichkeit. Die Datenbank steht allerdings ausschließlich öffentlichen Stellen und Uni-Kliniken zur Verfügung. Der Bundesrat muss diesem Gesetz noch zustimmen.  

Es sieht auch vor, dass bestimmte Apps auf Rezept verordnet werden können, z. B. digitale Anwendungen zur Messung des Blutdrucks oder Tagebücher für Menschen mit Diabetes. Das Gesetz soll auch elektronische Arztbriefe, Online-Verordnungen und digitale Arzt-Beratungen fördern. Ärzt*innen, die sich dem verweigern, wird ab März 2020 das Honorar gekürzt. Für Hebammen, Physiotherapeut*innen, Pflege- und Reha-Einrichtungen ist die Teilnahme am Datennetz derzeit noch freiwillig.

Was die Sicherheit der Daten betrifft, so müssten jedoch vor allem die Arztpraxen dringend nachrüsten: Erst jüngst wurde durch Recherchen des NDR und der „Süddeutschen Zeitung“ bekannt, dass Arztpraxen nur schlecht gegen Hacker-Angriffe geschützt sind. In der Praxis-Software kann oft nur allzu leicht Schadsoftware installiert werden.

GESUNDHEIT AKTIV meint:
Kein noch so „pseudonymisierter“ Datensatz von Patient*innen, ist wirklich anonym. Aus der Verbindung von nur wenigen Parametern kann im Prinzip auf fast jeden Menschen rückgeschlossen werden. Viele von uns machen sich das nicht klar. Umgekehrt ist es eine Illusion zu glauben, dass medizinische Daten auf Dauer ausschließlich bei Ärzten, Kliniken und Patienten verbleiben. Allein aus Abrechnungsdaten von Krankenkassen lassen sich Krankengeschichten und damit indirekt auch persönliche Lebenslagen einzelner Betroffener rekonstruieren.

Das Interesse, Forschung mit repräsentativen medizinischen Daten zu betreiben, ist riesig. Selbstverständlich spielen hier auch wirtschaftliche Interessen hinein. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass der Staat eingreift und Regeln dafür setzt, bevor sich auch in Europa primär die großen Internet-Konzerne dieser Daten bemächtigen. Natürlich stimmt es, dass dieses Gesetz nicht primär um den Schutz von Patient*innendaten besorgt ist. Die Daten sollen der Forschung dienen, und in gewisser Weise ist das durchaus in unser aller Interesse. Aber es muss nachgebessert und den Patient*innen wenigstens ein ausdrückliches Widerspruchsrecht eingeräumt werden. Insgesamt aber geht das Gesetz in die richtige Richtung. Der Gegenentwurf wäre die Situation in den USA, wo sich die großen Internetkonzerne längst ohne Staat der Daten bemächtigt haben.  

Quellen:
tagesschau.de, 7. November 2019
Meldung der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), 7. November 2019
tagesschau.de, 12. November 2019
Pressemitteilung der SBK, 15. November 2019

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