Diese Zahlen sind alarmierend: Jedes vierte Schulkind zeigt psychische Auffälligkeiten, vor allem Ängste und Depressionen. Im Jahr 2017 mussten 5 Prozent mehr Kinder wegen solcher Störungen ins Krankenhaus eingewiesen werden als im Jahr davor. Der Aufenthalt beträgt dann durchschnittlich 39 Tage. Liegt eine chronische Krankheit vor, erhöht sich das Risiko für eine Depression um das 4,5-fache, für eine Angststörung um das 3-fache. Insgesamt sind etwa 238.000 Kinder im Alter zwischen 10 und 17 Jahren so stark betroffen, dass sie einen Arzt aufsuchen müssen. Das zeigt jetzt der neue Kinder- und Jugendreport der Krankenhasse DAK-Gesundheit.

Bedenklich ist zudem, dass die Kinder und Jugendlichen im Anschluss an den Klinikaufenthalt in der Schule oft ausgegrenzt und stigmatisiert werden. Und: Es besteht eine hohe Versorgungslücke nach der Entlassung aus dem Krankenhaus – jedes vierte Kind muss erneut eingewiesen werden, weil die ambulante Versorgung nicht ausreichend greift oder es zu lange dauert, bis ein Therapieplatz frei wird.

Damit nicht genug: Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte geht von einer hohen Dunkelziffer aus: „Wir sehen hier nur die Spitze des Eisbergs“, kommentiert dessen Präsident Dr. Thomas Fischbach. „Viele Kinder kommen zu spät in die Praxis. In solchen Statistiken tauchen sie aber erst auf, wenn eine entsprechende Diagnose vorliegt.“

Alarmierend sind auch die Zahlen zur medikamentösen Therapie: Mehr als jedes vierte Mädchen und jede sechste Junge zwischen 15 und 17 Jahren nimmt ein Antidepressivum ein.

GESUNDHEIT AKTIV meint
Es ist sicherlich wichtig, genügend Ärzt*innen, Krankenhausabteilungen und Therapeut*innen zu haben, die sich der dringend nötigen Versorgung dieser vielen Kinder und Jugendlichen annehmen. Das eigentliche Problem aber wird nicht am Schopf gepackt: Bildungs- und Gesundheitswesen sind nur punktuell miteinander verknüpft. Da, wo die Probleme im Leben entstehen, werden sie wegdelegiert an Ärzt*innen oder Therapeut*innen. Diese haben ihrerseits kaum Möglichkeit und Zeit, dort Impulse zu geben, wo die Probleme entstehen: in der Schule, in Sportvereinen, in überforderten Elternhäusern. Dort, wo 50mal am Tag krank machende Impulse auf Kinder und Jugendliche einhämmern, wird keine wirkliche Abhilfe geschaffen. Was Digitalisierung heute im Kern ermöglichen und vermitteln sollte, bleibt ungenutzt: die Verbindung zwischen Sektoren und Einrichtungen, zwischen Eltern, Therapeut*innen und Jugendhilfe zu fördern. Abgesehen davon haben viele Bildungseinrichtungen immer noch kein klares Konzept für einen entwicklungsgemäßen Umgang mit Medien und erleben sich eher als Opfer allmächtiger Impulse aus dem Internet. (Schul)Sozialarbeiter*innen gehören immer noch zur Dispositionsmasse, wenn es darum geht, Stellenpläne zu gestalten. Ärzt*innen können zwar punktuell helfen, aber das Problem ist nur zu lösen, wenn wir über netzwerkartig gedachte, integrierte Strukturen verfügen, die unabhängig von den einzelnen Institutionen wirksam werden können.  

Quellen:
Pressemitteilung zum DAK Kinder- und Jugendreport
mdr aktuell, 21. November 2019

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