Im September 2019 hat der Gemeinsame Bundesauschuss (G-BA) die Kostenübernahme bei Schwangeren für „nichtinvasive Pränataltests“ (NIPT) auf Trisomie 13, 18 und 21 beschlossen. In Kraft treten wird dieser Beschluss erst, wenn eine Information zu den Bluttests auf diese genetischen Veränderungen vorliegt, die die werdenden Eltern fachlich korrekt, umfassend und vor allem neutral über diesen Test aufklärt. Eine solche Broschüre sollte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) erstellen.

Zu einem ersten Entwurf konnte man bis Ende Mai Stellung nehmen. Dafür hat der Berufsverband niedergelassener Pränatalmediziner e. V. (BVNP) eine Stellungnahme initiiert, die verschiedene medizinische Fachverbände und soziale Organisationen, darunter auch GESUNDHEIT AKTIV, unterzeichnet haben. Gemeinsam fordern sie, dass die Broschüre grundlegend überarbeitet werden muss, weil sie gravierende wissenschaftlich-fachliche und inhaltliche Mängel aufweist.

Vor allem wird kritisiert, dass psychosoziale und ethische Gesichtspunkte nicht ausreichendend berücksichtigt sind und die Vielfalt an Perspektiven und Erfahrungen auf der Strecke bleiben. „Die Broschüre wirft einen defizitorientierten Blick auf das Leben von Menschen mit Fehlbildungen wie der Trisomie 21“, so Prof. Dr. Scharf, Präsident des BVNP. „Dadurch können jedoch Ängste vor einem Kind mit Behinderung geschürt werden.“

Angesichts der zahlreichen Kritikpunkte sollten bei der Überarbeitung unbedingt auch Mütter und Familien mit einem Kind mit Trisomie 13, 18 oder 21 beteiligt werden sowie Selbsthilfegruppen und Menschen mit Downsyndrom oder auch Frauen und Paare, die eine Geburt mit palliativer Begleitung oder einen Spätabbruch erlebt haben.

GESUNDHEIT AKTIV meint
Gerade Informationsmaterialien wie die vorgelegte Broschüre sollten den Blick erweitern auf die Möglichkeit, mit einem gegebenen Schicksal umgehen zu lernen. Die genetisch beeinflusste Behinderung eines Menschen kann und muss auch anders betrachtet werden können als nur als „Unfall“. Die vielen Zeugnisse von betroffenen Familien und von Menschen mit genetisch bedingten Behinderungen selbst zeigen eine völlig andere Perspektive: Hier werden Chancen offenbar, das Leben neu zu betrachten, Schicksal anzunehmen und aktiv zu gestalten.

Informationsmaterialien dieser Art sollten diese Potenziale offen legen. Es braucht weiterhin einen offenen Dialog zu diesem Thema und differenzierte Informationen, damit Eltern Möglichkeiten, Risiken und Konsequenzen der Pränataldiagnostik sorgfältig abwägen können.

Hintergrund
Bereits im Mai berichteten wir über das gemeinsame Positionspapier vom Gen-ethischen Netzwerk e. V. an dem auch GESUNDHEIT AKTIV zusammen mit 40 weiteren Organisationen beteiligt war. Darin wird der Deutsche Bundestag dazu aufgefordert, gesetzlich zu regeln, wie mit solchen Tests umzugehen ist, die keine Therapieoption nach sich ziehen. Viele Abgeordnete hatten in einer Orientierungsdebatte zu den NIPT den Wert einer vielfältigen Gesellschaft betont.

Quelle:
Pressemeldung BVNP, Mai 2020