Island möchte seinen Bürgern künftig die volle Kontrolle über deren medizinische Daten geben. Das Mobile Ecosystem Forum (MEF) hat jetzt die Markteinführung unter die Lupe genommen. Erst vor ein paar Wochen bildete sich auf der “Startup Iceland“-Konferenz die Initiative, jedem Einwohner Islands eine digitale Kopie seiner Gesundheitsdaten geben zu wollen. Island hat dafür eine sogenannte Patienten-API (API = Application-Programming-Interface) entwickelt, also eine Programmierschnittstelle, um auf Informationen zugreifen zu können.

Eine Gruppe von Organisationen und Islands Direktion für Gesundheit arbeiten mit dem britischen Start-up „Digi.me“ zusammen, um diese API zu erstellen. Nun ist es möglich, dass alle medizinischen Daten über eine Plattform fließen. Die teilnehmenden Bürger*innen können durch eine speziell entwickelte App auf ihre Informationen zugreifen. "Digi.me" wurde einst gegründet, um das Potenzial der persönlichen Daten zu erschließen und das Internet neu zu denken, so dass die Anwender*innen des Netzes ihre eigenen Informationen kontrollieren können.

Durch die "Digi.me"-App kann jede/r Informationen über sich selbst sammeln und verwalten. Das bedeutet, dass jede Bürgerin und jeder Bürger die eigenen Gesundheitsdaten über das Smartphone sicher und privat abrufen und speichern kann – seien es Rezepte für Medikamente, Angaben zu Impfungen, Allergien oder die gesamte Patientengeschichte. Jeder Arzt muss wiederum um Erlaubnis bitten, die Personendaten einzusehen und bekommt dann in wenigen Sekunden nur die relevanten und aktuell gültigen Antworten auf seine Fragen. In der Theorie profitieren beide Seiten von diesem System.

Erste Erfahrungen, was passiert, wenn Patienten Zugang zu ihren eigenen Gesundheits-Informationen haben, gibt das OpenNotes-Projekt in den USA. Seit dem Start in 2010 konnte das Projekt alle anfänglichen Zweifel der Ärzte entkräften. Heute läuft das Projekt mit 13 Millionen registrierten Patienten erfolgreich weiter. Im "Gesunden Kinzigtal" startet demnächst ein ähnliches Projekt (wir berichteten über beide Initiativen in GESUNDHEIT AKTIV – DAS MAGAZIN, Ausgabe 08/09). 

Auf Island werden ähnliche positive Ergebnisse erwartet. Der Gründer von "Digi.me" ist optimistisch: "Island ist das perfekte Umfeld, um den Nutzen des neuen personenbezogenen Daten-Ökosystems zu demonstrieren, das entsteht, wenn Einzelpersonen ihre eigenen Daten besitzen und kontrollieren. Es hat eine Erfolgsbilanz von Innovationen, und wir sind zuversichtlich, dass Island ein Leuchtturm der Veränderung sein wird, der andere begeistert."

Stand der Dinge in Deutschland

Und wie steht es hierzulande mit der Digitalisierung in der Medizin und elektronischen Patientendaten? In Deutschland wurde ein anderer Weg gewählt, der wenig vertrauenerweckend ist: die eCard. Dr. Bernd Hontschik, ein Chirurg, der für die Frankfurter Rundschau regelmäßig die Kolumne „Dr. Hontschiks Diagnose“ schreibt, hat sich in seiner jüngsten Kolumne der elektronischen Gesundheitskarte angenommen. Der erste Schritt, die eCard einzuführen, ist derzeit erneut in Verzug. Und das elf (!) Jahre nach dem geplanten Start.

Der Grund ist, dass nicht alle Arztpraxen rechtzeitig mit der notwendigen Technik für die Telematikinfrastruktur (TI) ausgestattet werden konnten. Die TI soll künftig ermöglichen, alle medizinischen Informationen einer Person digital auszutauschen. Der Plan des deutschen E-Health Gesetzes sieht jedoch vor, dass die Praxen ab dem 1. August 2018 sowohl technisch in der Lage, als auch in der Pflicht sind, automatisch die sogenannten Versichertenstammdaten des Patienten mit seiner Krankenkasse abzugleichen. Dr. Hontschiks Fazit: „…die derzeitigen Planungen der elektronischen Gesundheitskarte, die gar nichts mit Gesundheit zu tun hat, müssen endlich zu Grabe getragen werden.“

Weitere Informationen:
Artikel “The cold logic of Iceland’s personal data breakthrough”, 20. Juli 2017, Mobile Ecosystem Forum
Dr. Hontschiks Diagnose „Wunschdaten“, 22. Juli 2017, Frankfurter Rundschau 

 

zurück zur Übersicht