Im Frühjahr letzten Jahres verlautbarten mehrere Zeitungen und Zeitschriften: Die Misteltherapie bei Krebs taugt nichts. Nach gründlicher Durchsicht der wissenschaftlichen Literatur sah das Team um M. Freuding und Jutta Hübner von der Klinik für Innere Medizin II des Uniklinikums Jena keinen Nutzen für die Mistelpräparate bei Tumorerkrankungen, sie zu verschreiben sei nicht sinnvoll.

Daraufhin nahm sich ein internationales Team von Krebs- und Mistelexperten dieses Review noch einmal vor und kommt jetzt zu dem Schluss: Sowohl die Arbeit selbst wie auch die daraus abgeleiteten negativen Aussagen zur Misteltherapie halten einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand und können so nicht aufrechterhalten werden. Die wichtigsten Argumente: Das Freuding-Review

  • ist unvollständig, es sind nicht alle vorliegenden Studien eingeschlossen worden
  • die angewandte Methodik ist intransparent, die Auswahl der einbezogenen wissenschaftlichen Literatur nicht eindeutig
  • hat keine Meta-Analyse vorgenommen, obwohl ausreichend Studien dafür vorliegen
  • bewertet das Risiko von Verzerrungen unzureichend und falsch
  • kommt zu Schlussfolgerungen, die durch die Studienlage in keiner Weise gedeckt sind.

So wird z. B. behauptet, dass die Misteltherapie keinen positiven Einfluss auf die Lebensqualität habe, obwohl 14 Studien eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität eindeutig nachweisen.

„Die Debatte um die Wirksamkeit der Misteltherapie wird immer wieder kontrovers geführt. Wir müssen uns dabei auf Daten stützen können, die wissenschaftlichen Standards entsprechen“, kommentiert Prof. Dr. med. Harald Matthes, Ärztlicher Leiter des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe und Inhaber der Stiftungsprofessur für Integrative und Anthroposophische Medizin an der Charité Universitätsmedizin Berlin. „Das ist beim vorliegenden Review jedoch nicht der Fall, so dass aus der Arbeit keine aussagekräftigen Schlussfolgerungen gezogen werden können“.

Untermauert wird die Kritik am Freuding-Review im Übrigen auch durch zwei neue Publikationen: ein wissenschaftliches Review (Ostermann et al.) sowie eine Metaanalyse (Loef M, Walach H) aus diesem Jahr kommen zu gänzlich anderen und positiven Ergebnissen für die Misteltherapie. Trotz dieser neuen Ergebnisse und der inzwischen publizierten Kritik von Harald Matthes und seinen Kolleg*innen ist noch keine inhaltliche Überarbeitung durch die Autor*innen des Reviews erfolgt.

Weitere Informationen:
Zur Misteltherapie und zum Stand der wissenschaftlichen Forschung: www.mistel-therapie.de
Bericht der Carstens-Stiftung zur Arbeit von Freuding et al. und zum Statement von Matthes et al. 

Quellen:
Matthes et al: Statement to an Insufficient Systematic Review von Viscum album L. Therapy, Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine
Pressemitteilung des DAMiD vom 10. August 2020