Zunächst einmal eine schöne Idee: Die Ausbildung für Pflegefachkräfte wird zum Teil akademisiert, dadurch wird der Beruf deutlich attraktiver und die Qualität der Versorgung wird so auch erhöht. Daher die Empfehlung des Wissenschaftsrats aus dem Jahr 2012 künftig mindestens 10-20 Prozent der Absolvent:innen eines Ausbildungsjahrgangs mit einem Bachelor abschließen zu lassen. Nun zeigen sich allerdings die Schwierigkeiten an der Idee, denn anders als in anderen europäischen Ländern gibt es in Deutschland bisher kaum Ideen oder Konzepte, wie akademisch ausgebildete Pflegekräfte überhaupt sinnvoll in die Versorgung integriert werden sollen. Daher hat nun die Robert Bosch Stiftung ein Förderprogramm vorgestellt, in dem die Umsetzung eines Qualifikationsmixes in der Pflege über teils längere Zeiträume erprobt wurde. Die Projekte im Rahmen des Programms liefen von 2016-2018 in Einrichtungen der ambulanten, akutstationären und psychiatrischen Pflege, sowie auch in Reha – und Langzeitpflege. Insgesamt wurden so 50 Versorgungseinheiten in acht Einrichtungen und damit rund 4.000 Patientenkontakte erfasst. Es haben sich laut Projektbericht umfassende Erkenntnisse ergeben, wie akademische Pflegekräfte zukünftig eingebunden werden können und wie die Aufgabenprofile und Rollenverständnisse aussehen könnten. Laut den Autoren ist es gelungen, Vorbehalte und Statusverlustängste nahezu überall abzubauen und Akademiker:innen in allen Sektoren zu integrieren. Gerade die gezielte Patientenberatung durch die akademisch ausgebildeten Pflegekräfte habe „maßgeblich zu einem verbesserten Selbstmanagement von Patientinnen und Patienten im Hinblick auf ihre Erkrankung beigetragen“.                                                                                

Als Fazit daraus leitet das Projekt einen Bedarf von 100.000 Vollzeitstellen in den kommenden Jahren ab: „Auf jeder Station eines Krankenhauses, in stationären Pflegeeinrichtungen und in jedem ambulanten Pflegedienst sollte mindestens eine ganze Stelle für das Profil „Pflegefachleitung auf Bachelorniveau“ geschaffen werden.“ Weiterhin wird unter anderem in jeder Abteilung eines Krankenhauses ein Bedarf von Pflegeexpert:innen auf Masterniveau gesehen.

Wie immer fehlt es dafür aber an finanziellen Ressourcen, nicht zuletzt für die Ausbildungsoffensive, die nun folgen müsste, denn bislang schließen höchsten drei Prozent eines Jahrgangs eine akademische Ausbildung ab. Und bis die geforderten 100.000 Stellen besetzbar sind, wird so noch viel Zeit vergehen.

GESUNDHEIT AKTIV meint: 

In Deutschland ist lange und erfolgreich verhindert worden, die Pflege wissenschaftlich und damit auch akademisch zu verankern. Vielleicht hat das etwas zu tun mit der hierzulande gängigen Vorstellung, dass versorgende Tätigkeiten zu den „niederen“ eher dienenden Beschäftigungen zählen. Mindestens hierzulande werden direkte Dienstleistungen am Menschen vergleichsweise gering vergütet und genießen ein verhältnismäßig geringes Sozialprestige. Innerhalb dieser Berufe – man denke auch an Tätigkeiten im Bereich der frühkindlichen Erziehung – wurde vielfach erfolglos um eine Aufwertung gekämpft. In Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen verschwinden die akademisch qualifizierten Menschen oft hinter dem Schreibtisch. Je mehr man studiert hat, so könnte man schlussfolgern, desto weniger direkter Kontakt mit den Menschen ist notwendig. Man handelt eher aus der Abstraktion heraus. Das führt dazu, dass sich die qualifizierte Arbeit am Menschen zu wenig weiter entwickeln kann. Womöglich liegt gerade hier unser zentrales Problem. Die konkrete bewusste Arbeit mit Menschen erfordert hohe empathische Fähigkeiten aber eben auch, im Verbund damit abstrakte, konzeptionelle Kompetenzen. Die hier vorgestellte Studie eröffnet einen Weg hin zu einer besseren und praxisnäheren Verankerung akademisch ausgebildeter Pflegender. Sollte das gelingen, so wäre dies ein wichtiger Schritt dahin, den Pflegeberuf insgesamt aufzuwerten.

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