Newsletter Dezember 2020 – Schon vor vielen Monaten rumorte es kräftig bei den Grünen, als einige Parteimitglieder den Antrag stellten, sich von der Homöopathie als Therapierichtung zu distanzieren. Eine Kommission wurde gebildet, aber rasch wieder aufgelöst, nachdem Interna an die Presse durchgestochen worden waren. Robert Habeck persönlich zog die Verantwortung an sich und erklärte den Vorgang zur Chefsache.

Nun stand bei der jüngsten Bundesdelegiertenkonferenz im November eine Entscheidung über den Antrag an, der vom Bundesvorstand inzwischen nicht mehr speziell für die Homöopathie, sondern generell für eine Integrative Medizin und ihre Erstattungsfähigkeit so formuliert worden war: „Leistungen, die medizinisch sinnvoll und gerechtfertigt sind und deren Wirksamkeit wissenschaftlich erwiesen ist, müssen von der Solidargemeinschaft übernommen werden." Ein Änderungsantrag lautete dagegen: „Leistungen, deren Wirksamkeit über den Placeboeffekt hinaus nicht wissenschaftlich bewiesen wurden, werden nicht von der Solidargemeinschaft übernommen.“ Dieser Änderungsantrag wurde jedoch abgelehnt und die Fassung des Bundesvorstands angenommen.

Ebenfalls angenommen – allerdings in leicht abgeänderter Form – wurde der Antrag einer Gruppe von Mitgliedern zur Wahlfreiheit im Gesundheitswesen. Darin heißt es: „Welche Leistungen der Gesundheitsversorgung von der Solidargemeinschaft übernommen werden sollen, orientiert sich daran, ob diese medizinisch sinnvoll und gerechtfertigt sind und ob deren Wirksamkeit nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin (EbM) anzunehmen ist. Evidenzbasierte Medizin berücksichtigt den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung, die ärztliche Erfahrung und die Präferenzen der Patient*innen.“

Dieser Beschluss ist insofern bedeutsam, als er bei der Definition für die evidenzbasierte Medizin ausdrücklich die Patientenpräferenz mitberücksichtigt. Häufig hält die konventionelle Medizin eine Evidenz nur dann für gegeben, wenn randomisiert-placebokontrollierte Doppelblind-Studien statistisch signifikante Unterschiede ergeben haben. Dass die Grünen die Evidenz deutlich weiter fassen, ist ein Fortschritt und entspricht auch den Vorgaben des britischen Wissenschaftlers David Sackett, der diesen Begriff geprägt hat.

Die Grünen bekennen sich darüber hinaus auch zur Wahlfreiheit im Gesundheitswesen. Versicherte sollen sich „im Krankheitsfall zwischen unterschiedlichen qualitätsgesicherten Angeboten und Therapien“ entscheiden können, wofür es „Therapievielfalt und das Selbstbestimmungsrecht der Patient*innen“ brauche. Die Komplementärmedizin, die von vielen Menschen genutzt werde, spiele „eine relevante Rolle in der heutigen Gesundheitsversorgung“.

„Die Grünen bekennen sich zu dem, was die Mehrheit der Menschen wollen, das Beste aus beiden Welten, so wie es die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert. Die Menschen wollen neben der konventionellen Medizin auch komplementäre Therapieverfahren aus der Natur,“ so Dr. med. Ulrich Geyer, Internist und Integrativmediziner aus Heidenheim, der den oben genannten Antrag mit formuliert und eingebracht hat.

Bleibt zu hoffen, dass diese Positionen jetzt auch Eingang in die Wahlprogramme finden – sowohl in den sechs Bundesländern, in denen nächstes Jahr die Landtagswahlen stattfinden, wie auch überregional im Zuge der Bundestagswahl im September 2021. 

Quellen:
aerzteblatt.de, 23. November 2020
Bundesverband Patienten für Homöopathie, 23. November 2020
daz.online, 23. November 2020
FAZ, 22. November 2020