Mit zum Teil unkonventionellen Methoden ist es im Rahmen des Programms „Lihavuus laskuun“ (auf Deutsch: Einstellungen ändern, Übergewicht senken) im finnischen Seinäjoki gelungen, dass immer weniger Kinder und Jugendliche übergewichtig sind. „Es ist viel leichter, Übergewicht vorzubeugen, als es zu behandeln“, sagt Ulla Frantti-Malinen, Koordinatorin für die Gesundheits- und Wohlfahrtsförderung der Stadt Seinäjoki.

Das Programm wirkt: Im Jahr 2011 waren in der 60.000-Einwohner-Stadt Seinäjoki 14 Prozent der Kinder unter sieben Jahre übergewichtig. Im Jahr 2015 hatte sich dieser Anteil auf 8,7 Prozent fast halbiert. Bei den Elfjährigen waren 2011 16,1 Prozent adipös – im Jahr 2015 waren es nur noch 8,2 Prozent. Von diesem starken Rückgang waren sogar die Programm-Macher selbst überrascht.

Wie hat Seinäjoki das geschafft? Neben der naheliegenden Umstellung des Speiseplans in den Schulkantinen auf weniger Salz und Fett (in Finnland hat jedes schulpflichtige Kind Anspruch auf ein kostenloses Schulessen), setzt man in Seinäjoki auf ein vernetztes Handeln zwischen Eltern, Beratungsstellen (die in Finnland nahezu alle Familien erreichen), Kita und Schule. Auch die Kommune ist beteiligt. Positiv ist außerdem, dass es in Finnland das staatliche Vorhaben „Liikkuva koulu" (bewegliche Schule) gibt, das körperliche Aktivität und Wohlbefinden in den Schulen fördern möchte und bei dem fast alle Schulen mitmachen.

So gibt es zum Beispiel in einigen Klassen inzwischen statt Pulten vor allem Balanceboards, Yogamatten, Gymnastikstangen und Basketballkörbe: „Ruhe zum Arbeiten und Lernen sind am wichtigsten. Aber wenn man sich zwischendurch bewegen kann, steigt die Konzentrationsfähigkeit“, meint einer der beteiligten Lehrer einer dritten Klasse. Die LehrerInnen für das Projekt zu begeistern, war eine der großen Herausforderungen. Gemeinsam ist es gelungen, bestimmte Regeln zu hinterfragen, weil man gemerkt hat, dass Kindern und Jugendlichen manches verboten war, weil es so für die LehrerInnen einfacher wurde. Nun ist es erlaubt, in den Pausen Fahrrad und Skateboard zu fahren – mit Helm, versteht sich. „Am wichtigsten ist, dass die Schüler die Bedeutung von körperlicher Aktivität begreifen, so dass diese zur dauerhaften Lebensgewohnheit wird“, so ein anderer Lehrer.

Auch GESUNDHEIT AKTIV spricht sich dafür aus, Probleme wie Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen nicht vereinzelt anzugehen. „Was wir wirklich brauchen, damit sich unsere Kinder gesund entwickeln können, ist ein ganzheitlicher Ansatz, der Bewegung, Ernährung, Spielen und Lernen zusammenführt“, sagt Stefan Schmidt-Troschke, Geschäftsführender Vorstand des Vereins. „Die Finnen zeigen uns mit ihrem Projekt sehr schön, dass Gesundheit dann entsteht, wenn wir wirklich an den Lebensbedingungen der Kinder im Alltag ansetzen. In Deutschland gibt es – nicht zuletzt an den Waldorfschulen – auch schon gute Projekte wie zum Beispiel das ‚bewegte Klassenzimmer‘. Jetzt ist es vor allem nötig, diese Ansätze zu vernetzen und zu verbreiten, um flächendeckend Räume für ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen.

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