Zuhören, beraten, Therapieoptionen aufzeigen – darum sollte es in der ärztlichen Praxis gehen. Die Realität sieht allerdings anders aus. Kürzlich fanden Forscher aus Cambridge in einer weltweiten Studie (veröffentlicht im British Medical Journal 2017) heraus, dass ein Arztbesuch in Deutschland durchschnittlich 7,6 Minuten dauert. Damit liegt Deutschland nur im Mittelfeld. Die kürzesten Arztkontakte gab es in Bangladesh mit durchschnittlich 48 Sekunden, während Schweden mit 22,5 Minuten pro Kontakt die weltweite Spitze bildete. Die ausgewerteten Daten aus 67 Ländern umfassten Informationen zu mehr als 28,5 Millionen Arztkontakten.

Weniger Zeit = schlechtere Versorgung

Die Forscher mahnen, dass kurze Kontakte die Qualität der Behandlung verschlechtern und auch für Ärzte ein Stressfaktor sind. Es gebe außerdem Hinweise, dass längere Arztkontakte eine bessere Diagnostik von psychischen Erkrankungen ermöglichen. Außerdem steigt bei kurzen Kontakten die Gefahr, dass zu viele Medikamente und zu häufig Antibiotika verschrieben werden und das Verständnis der Patienten für diese Arzneimittelgabe leidet. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wertet die durch­schnittliche Kontaktzeit als ein Qualitätskriterium für die Versorgung.

„Die eigentlich zentrale Dienstleistung einer menschlichen Medizin ist die der persönlichen Hilfeleistung. Sie lässt sich weder an eine Maschine noch an einen Roboter delegieren. Selbst im viel geschmähten Gesundheitssystem in den USA nehmen sich die Ärzte mehr als 20 Minuten für den Termin mit dem Patienten. Und hier in Deutschland, wo wir Milliarden für die medizinische Versorgung ausgeben, soll das nicht machbar sein?“ fragt Stefan Schmidt-Troschke, Geschäftsführer von GESUNDHEIT AKTIV. „Wir werden uns auch weiterhin mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die sprechende und zuhörende (!) Medizin wieder stärker in den Mittelpunkt rückt. Denn das ist es, was die Patienten wollen und was ihnen auch zusteht.“

Quelle
Original-Studie: „International variations in primary care physician consultation time: a systematic review of 67 countries", British Medical Journal, 2017; doi: 10.1136/bmjopen-2017-017902

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