Das Gesundheitswesen wird immer komplexer. Gleichzeitig können und müssen Patienten heute zunehmend selbst entscheiden, wie sie medizinisch versorgt werden wollen. Auch ethische Fragestellungen sind längst im medizinischen Alltag angekommen – zum Beispiel Patientenverfügung, pränatale Diagnostik oder Sterbehilfe. Um hier richtig entscheiden zu können, muss man sich allerdings gut auskennen, also eine gewisse „Gesundheitskompetenz“ besitzen (international "Health Literacy" genannt).

Dass das längst noch nicht selbstverständlich ist, zeigen aktuelle Studien der Universität Bielefeld. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Uni mit einer repräsentativen Untersuchung darauf aufmerksam gemacht, dass mehr als die Hälfte der Deutschen große Probleme hat, gesundheitsrelevante Informationen zu verstehen und zu verarbeiten. Das gilt vor allem für sogenannte vulnerable Gruppen, also Menschen mit Migrationshintergrund, geringem Bildungsgrad oder hohem Lebensalter. Eine im Januar 2017 im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichte Umfrage bestätigt diese Ergebnisse.

Das soll sich nun ändern. Die Universität Bielefeld, der AOK-Bundesverband und die Hertie School of Governance entwickeln bis 2018 einen „Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz“, der ein Maßnahmenpaket und eine aufeinander abgestimmte Strategie umfassen wird. Damit soll das Thema Gesundheitskompetenz in Deutschland bekannter werden. Gleichzeitig sollen davon Impulse für Politik, Selbstverwaltung und Forschung ausgehen. Das Vorhaben wird durch den Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) als Schirmherrn unterstützt.

Es ist ein gutes Zeichen, dass dieses Thema inzwischen in der Gesundheitspolitik angekommen ist und zunehmend erforscht wird. GESUNDHEIT AKTIV begrüßt diese Pläne nachdrücklich – haben wir uns doch schon immer dafür eingesetzt, die individuelle Gesundheitskompetenz zu fördern. Wir fordern aber auch, die Patienten dabei aktiv mit einzubeziehen. Denn es geht um mehr, als einfach nur verständliche Broschüren für Patienten zu entwickeln. Es geht um einen Wandel in der Perspektive: Heute suchen die Patienten zunehmend das Gespräch auf Augenhöhe, um zu erfahren, was sie für sich und ihre Gesundheit tun können. Das ist zum Teil auch eine Generationenfrage – älteren Menschen fällt dieser Wandel schwerer. Auch diese Menschen mitzunehmen, ist eine große und gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der wir uns alle stellen müssen.

Praxistipp!
Wie Patienten verständlich informiert und beraten werden können, zeigt die neue Broschüre „Gesundheitskompetenz – verständlich informieren und beraten“, die das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz für Gesundheitsberufe, Krankenkassen, Verbraucher- und Patientenberatungen entwickelt hat: „Oftmals reden Mediziner oder Berater über den Kopf der Ratsuchenden hinweg. Die neue Broschüre soll professionelle Helfer auf dieses Problem aufmerksam machen und sie unterstützen, Gesundheitsthemen verständlich zu erläutern“. 

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