Newsletter November 2021 - Direkt nach der Wahl, also pünktlich zu den Sondierungsgesprächen der Ampel-Koalition, veröffentlichte die Bundesärztekammer (BÄK) einen 12 Punkte umfassenden Forderungskatalog zur Gesundheitspolitik. Die Vorzeile „Duldet keinen Aufschub“ war ein klares Signal: Man war unzufrieden damit, dass die Gesundheitspolitik in den Wahlprogrammen keinen großen Raum eingenommen hatte. Die 12 Punkte im Einzelnen sind durchaus bemerkenswert:

  • Krankenhausvergütung an Menschen und dem Versorgungsbedarf ausrichten! Das schließt eine grundlegende Reform der Fallpauschalen mit ein.
  • Krankenhausplanung neu denken – hochwertige stationäre Versorgung überall in Deutschland sichern! Die künftige Bundesregierung soll den Weg für eine bundesweit abgestimmte Krankenhausplanung, die sich am regionalen Bedarf orientiert, und mehr länderübergreifende Kooperationen ebnen. Denn bisher ist die gesamte Planung Ländersache.
  • Den Klinik-Investitionsstau auflösen! Der beträgt inzwischen bundesweit mehr als 30 Milliarden Euro, die sich in den vergangenen 10 Jahren angesammelt haben
  • Notstand in Notaufnahmen beenden! Denn die sind weiterhin chronisch überlastet.
  • Ärztlichen Nachwuchs fördern, attraktive Arbeitsbedingungen in Kliniken und wirtschaftlicher Selbständigkeit schaffen! Denn ein Mangel an Ärztinnen und Ärzten zeichnet sich jetzt schon ab.
  • Patient vor Profit – Einfluss von Fremdkapitalgebern auf die medizinische Versorgung begrenzen! Denn immer mehr medizinische Versorgungszentren (MVZ) werden von Konzernen betrieben – mit entsprechenden Vorgaben für die Rendite …
  • Reform der Gebührenordnung für Ärzte jetzt umsetzen! Denn diese sei, so die BÄK, völlig veraltet und bedürfe einer gründlichen Überarbeitung.
  • Öffentlichen Gesundheitsdienst krisen- und zukunftssicher ausbauen! Die Defizite dort hat die Corona-Krise augenfällig zutage gebracht.
  • Pandemiemanagement professionalisieren! Gefordert wird u. a. ein multiprofessioneller Pandemierat.
  • Krise als Treiber für Digitalisierung nutzen! Im Gesundheitssektor steckt die Digitalisierung noch in den Kinderschuhen.
  • Klimakrise macht krank – Gesundheitswesen auf Folgen der Erderwärmung vorbereiten! Gesundheitsgefahren durch den Klimawandel sind nicht mehr zu leugnen. Das soll stärker ins Bewusstsein gerückt werden.
  • Echte Mitbestimmung der Ärzteschaft im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Bisher hat sie – ähnlich wie die Patient:innen-Vertretung – nur beratende Funktion, kein Stimmrecht.

Auf dem 125. Deutschen Ärztetag, der am 1.11.2021 eröffnet wurde, legte Kammerpräsident Klaus Reinhardt noch ein Scheit nach: „Die Gesundheitspolitik muss ein zentrales Handlungsfeld der neuen Bundesregierung werden“, forderte er in seiner Eröffnungsrede. Ähnliche Forderungen erhebt ein neu gegründetes Bündnis aus Betroffenen, Angehörigen, Pflegenden, Ärzt:innen, Forschenden, Akteuren im Gesundheitssystem und Mitgliedern der Zivilgesellschaft unter dem Motto „Gesundheitsreform jetzt!“ Im Mittelpunkt stehen bei ihnen die Verbesserung der Patientensicherheit und der Infektionsschutz. Und auch der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) hat in einer aktuellen Gesundheitsmonitor-Umfrage ermittelt, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung erwartet, dass die neue Bundesregierung zentrale Gesundheitsthemen angeht und dabei mehr Einsatz zeigt als die vorige.

Zudem haben Expert:innen und Akteur:innen im Gesundheitswesen einen „Berliner Aufruf für mehr Patientennutzen im Gesundheitswesen“ verabschiedet. Unter dem Motto „Gesundheit: Das Ergebnis zählt!“ fordern sie, das ultimative Ziel besser im Auge zu behalten: „die Gesundheit der Menschen zu erhalten und Erkrankte unter Würdigung ihrer Präferenzen und ihrer Lebensqualität bestmöglich zu behandeln“. Die Gesundheitspolitik der kommenden Legislaturperiode müsse sich „auf die Messung und Bewertung von Leistungen hinsichtlich ihres Nutzens für die Bevölkerung ausrichten. Was zählt, ist das Ergebnis der Interventionen, also der Nutzen für den Patienten“, heißt es in dem Aufruf.

Auch der Deutsche Ärztetag sprach sich in einem Grundsatzbeschluss dafür aus, „endlich Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um der zunehmenden Kommerzialisierung im Gesundheitswesen Einhalt zu gebieten. Ärztliches Handeln müsse vor ökonomisch motivierten Einflussnahmen geschützt sein – auch zum Wohle der Patientinnen und Patienten.

Quellen:

Forderungskatalog der BÄK
Pressemitteilung BÄK, 1. November 2021
Gesundheitsmonitor-Umfrage, Oktober 2021
Berliner Aufruf, 28. Oktober 2021
Pressemitteilung Optimedis, 28. Oktober 2021 und Livestream einer Online-Veranstaltung dazu bei YouTubePressemitteilung Bundesärztekammer, 2. November 2021

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