Newsletter Oktober 2020 – Um die Kommunikation zwischen Ärzt*innen, Pflegenden und Patient*innen zu stärken und die Sicherheitskultur in der Medizin nachhaltig zu verbessern, hat die Fachgesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) über den Tellerrand geguckt und sich mit Expert*innen aus der Luftfahrt zusammengetan. Ein Team aus Psycholog*innen, Ärzt*innen und Pilot*innen hat das bewährte ‚Human-Factors-Training‘, das bereits bei Lufthansa eingesetzt wird, für die Medizin mit ihren verschiedenen Berufsgruppen weiterentwickelt, um eine offene Kommunikationskultur zu fördern. 

Denn: Je besser ein Team miteinander kommuniziert und zusammen agiert, desto seltener passieren Fehler. Haben Patient*innen ein besseres Gefühl, können sie schneller genesen. Darüber hinaus schafft eine gelebte Sicherheits- und Kommunikationskultur eine vertrauensvolle Atmosphäre, erhöht die psychische Widerstandkraft und die Motivation – im Sinne aller Beteiligten.  

Schon lange ist es bekannt und erwiesen, dass zwischenmenschliche Fähigkeiten und eine klare Kommunikation nicht nur die Zufriedenheit der Patient*innen erhöht, sondern auch ihre Sicherheit. Soweit die Theorie. Leider wird im realen medizinischen Alltag oft zu wenig miteinander geredetKommen kritische Momente und eine hohe Arbeitsbelastung noch hinzu, bleibt die notwendige Kommunikation mit den Kolleg*innen und Patient*innen oft auf der Strecke, was wiederum zu Fehlern führen kann. 

Was zwischen Menschen selbstverständlich sein sollte, scheint gar nicht so einfach – woran liegt das? Ärztinnen und Ärzte haben viel Wissen aus dem Lehrbuch, Pflegekräfte viel Erfahrung – gemeinsam könnten sie ein starkes Team bilden. Doch in Wirklichkeit kommunizieren sie kaum miteinander. Einer der Gründe ist unzeitgemäßes hierarchisches Denken und manchmal auch die Angst vor der eigenen Blöße. Dabei ist jede*r für sich und vor allem auch der Patient Spezialist auf seinem GebietNur wird untereinander auch zu wenig gefragt

Ein weiterer Grund ist, dass zwischenmenschliche Fähigkeiten, die sogenannten ‚Human Factors, in Ausbildung und Kliniken noch immer eine untergeordnete Rolle spielenSie sind wenig bis kaum verinnerlicht, geschweige denn trainiert. Gerade in stressigen Momenten braucht es jedoch umso mehr die Handlungssicherheit und Entscheidungsfähigkeit von Ärzt*innen und Pflegenden.

GESUNDHEIT AKTIV meint
Nicht von ungefähr gab und gibt es immer wieder Bestrebungen, dieses Defizit durch neue und andere Strukturen zu überwinden. Die Gründung von Therapeutika und Gemeinschaftskrankenhäusern in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, insbesondere aus einem anthroposophischen Impuls heraus, diente der Überwindung des geschilderten Problems: Um die Patientinnen und Patienten herum veranlagte therapeutsche Gemeinschaften“ sollten Sorge dafür tragen, dass die Behandlung im therapeutischen Team und gemeinsam mit den Patient*innen erarbeitet werden kann. Die Ökonomisierung hat vielen dieser Impulse den Garaus gemacht. Das aber sollte uns nicht daran hindern, immer wieder neu nach Formen zu suchen, die Professionalität und Empathie im Gesundheitswesen ermöglichen. 

Quelle 
aerzteblatt.de, 15. September 2020

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