Berlin, 5. Oktober 2018. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) drückt aufs Tempo. Erst ein paar Monate im Amt, hat er gezeigt, dass er „liefern“ will, wie er immer wieder betont. Besonders fällt auf, dass das Thema Pflege, das jahrelang eher ignoriert wurde, endlich eine echte Priorität bekommen hat. Auch die Digitalisierung will Spahn voranbringen. Die SPD zieht mit: In Sachen Gesundheitspolitik scheint die Stimmung in der großen Koalition ausgesprochen gut zu sein.

Zustimmung oder Widerspruch zur Organspende?

Im Herbst aber stehen zwei Themen an, die viel Feingefühl brauchen, auch weil die Meinungen dazu weit auseinander gehen. Zum einen geht es um die Organspende, die Spahn neu regeln möchte. Dazu hat er im Spätsommer einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, um vor allem die Strukturen in den Kliniken so zu ändern, dass dort tatsächlich mehr Organe transplantiert werden.

Gleichzeitig hat der Minister über die Pressemedien verkündet, dass er sich für die „doppelte Widerspruchslösung“ stark macht. Das würde bedeuten, dass automatisch alle Menschen Organspender wären – es sei denn, sie hätten aktiv widersprochen. „Doppelt“ bedeutet zudem: Auch die Verwandten hätten die Möglichkeit zum Widerspruch. Bisher gilt in Deutschland die „erweiterte Zustimmungslösung“: Nur wenn der Verstorbene zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt hat, dürfen die Organe entnommen werden.

Warum die Eile?

„Umfragen zeigen immer wieder, dass die Bereitschaft zur Organspende in Deutschland hoch ist. Vielfach allerdings können Organe nicht entnommen werden, weil die Umsetzungsmöglichkeiten an den Kliniken vor Ort fehlen", merkt Stefan Schmidt-Troschke von GESUNDHEIT AKTIV an. „Das hat Spahn ganz richtig erkannt und deshalb mit seinem Strukturgesetz bei den Kliniken angesetzt. Aber anstatt die Wirkungen dieses Gesetzes abzuwarten, wird völlig übereilt nach der Widerspruchslösung gerufen. Wir von GESUNDHEIT AKTIV positionieren uns klar gegen die Widerspruchslösung, weil es kein automatisches Recht auf die Organe eines anderen Menschen geben kann, selbst wenn er nicht ausdrücklich widersprochen hat. Menschen sind, auch dann, wenn ihr Gehirn nicht mehr arbeitet, keine verfügbare Materie.“

Wie weit wollen wir gehen?

Auch beim zweiten Thema – der pränatalen Diagnostik – steht ein gesellschaftlicher Diskurs an. Konkret geht es um die Frage, ob ein vorgeburtlicher Bluttest auf das Down Syndrom Kassenleistung und damit de facto Bestandteil der Regelversorgung wird. Im Sommer 2018 hatten sich zehn Bundestagsabgeordnete aus fünf Bundestagsparteien in einem interfraktionellen Positionspapier mit dem Titel „Vorgeburtliche Bluttests – wie weit wollen wir gehen?“  zusammengeschlossen, um sich kritisch mit dem Thema auseinanderzusetzen. Sie fordern eine breite Debatte

„Sollte der Test Kassenleistung werden, erhöht sich weiter der gesellschaftliche Druck auf die Eltern, ihr ungeborenes Kind ‚testen‘ zu lassen“, kommentiert Stefan Schmidt-Troschke. „Das ist ein äußerst problematischer Trend. Das Problem ist, dass Eltern oft gar keine Vorstellung haben von den eigentlichen Entscheidungskonflikten, in die sie kommen können. Außerdem gibt es eigentlich viel zu wenig kompetente Unterstützung, wenn es um die Entscheidung für oder gegen die Austragung einer Schwangerschaft mit einem möglicherweise beeinträchtigten Kind geht. Wir von GESUNDHEIT AKTIV setzen uns schon lange für eine offene und transparente persönliche Auseinandersetzung mit der vorgeburtlichen Diagnostik ein – unter anderem mit unserem Projekt „Aufklärung Pränataldiagnostik“.

Aufklärung Pränataldiagnostik – erfahren Sie mehr!
Die heutigen Schüler*innen sind die Eltern von morgen: In einem experimentellen Lern- und Erfahrungsprojekt zur Pränataldiagnostik hat GESUNDHEIT AKTIV im Herbst 2017 Schülerinnen und Schüler eingeladen, selber zu entdecken, welche Erfahrungen Eltern und Betroffene gemacht haben. Mehr auf unserer Webseite unter: Was wir tun / GESUNDHEIT AKTIV

Organspende: GESUNDHEIT AKTIV informiert
Was heißt Zustimmungslösung? Wie soll ich mich entscheiden? Informationen rund um die Organtransplantation, Film- und Printmaterial sowie einen alternativen Organspendeausweis zum Ausdrucken finden Sie bei Kompetent entscheiden / GESUNDHEIT AKTIV