Newsletter September 2021 - Die Bundesvereinigung der Deutschen Apothekerverbände (ABDA) hat mit einem „Wahlradar Gesundheit" im Rahmen einer bundesweiten Initiative eine Umfrage gestartet, was die Direktkandidat:innen der großen Parteien für den Bundestag zu zentralen Fragen der Gesundheitspolitik sagen. Dafür wurde auf einer Webseite eine interaktive Deutschlandkarte etabliert, über die man direkt zu seinem persönlichen Wahlkreis gelangen kann, um dort die Antworten einzusehen. Bis zu 1.500 Direktkandidat:innen wurden angeschrieben.

Die Aktion erscheint umso bedeutsamer, als zwei Drittel der Deutschen sagen, die Haltung zur Gesundheitspolitik sei für sie mit entscheidend für die Wahl einer bestimmten Kandidat:in. Damit rangiert das Thema auf Platz 2 der wichtigsten Themen, gleich nach der Sozial- und Rentenpolitik, die für 71 Prozent der Menschen entscheidet, wo sie ihr Kreuz auf dem Wahlzettel machen wollen. Das Problem ist nur: Die meisten Kandidat:innen antworten nicht auf die Fragen. Für das Saarland und Bremen sowie für Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg liegen noch gar keine Antworten vor. Viele weiße Flecken gibt es auch in den anderen Bundesländern. In Sachsen gibt es nur für den Wahlreis Dresden I eine Antwort (von der LINKEN), in Berlin nur für den Bezirk Berlin-Marzahn/Hellersdorf (von der CDU), in München-Land äußerte sich nur der SPD-Kandidat. Grüne und FDP schweigen. Ähnliches gilt für die meisten anderen Wahlkreise.

Erfragt wurde z. B. die Haltung zur Überalterung in den Arztpraxen, zum  Mangel an Hausärzt:innen und Hebammen oder zu möglichen Apothekenschließungen. Auch die Position zur katastrophalen Situation in der Pflege wird abgefragt, die steigenden Gesundheitskosten und die Ausdünnung der Gesundheitsversorgung.

Die Initiative „Wahlradar Gesundheit" fordert jetzt die drei Kanzlerkandidaten dazu auf, bei ihren TV-Triellen am 12. und 19. September in ARD/ZDF bzw. bei Pro Sieben/Sat.1 und Kabel 1 auch über die Gesundheitsversorgung der Menschen zu diskutieren. "In den Wahlkampagnen der Parteien steht nur selten im Mittelpunkt, wie die Gesundheitsversorgung in Friesland, im Harz oder in der Oberpfalz verbessert werden kann, sagt Matthias Arnold, Vizepräsident der ABDA. „Frau Baerbock, Herr Laschet und Herr Scholz sollten deshalb in den beiden anstehenden Fernseh-Triellen auch sagen, was genau sie in der Gesundheitspolitik wollen."

GESUNDHEIT AKTIV meint:
Es mag wohl insbesondere mit der Corona-Krise zusammenhängen, dass die Gesundheitspolitik eine derartig große Rolle in den Umfragen spielt. Viele von uns lernen derzeit, wie existenziell Entscheidungen der Politik in gesundheitlichen Fragen sind. All diese Fragen sind für einzelne wichtiger als ein Tempolimit oder die Frage, ob nun gegendert werden soll oder nicht: Es geht um ein Leben in Würde als pflegebedürftiger Mensch. Es geht darum, ob der Staat zu einer Impfung zwingen kann. Oder um die Frage, wieviel Bevormundung man in existenziellen Fragen bei einer Krankheit zuzulassen bereit ist. Die Parteien und ihre Politiker:innen drücken sich hier um klare Aussagen herum, viele von ihnen verfügen auch gar nicht über die nötige Kompetenz.

Wie eine Corona-Politik in naher Zukunft aussehen soll – darauf können sich Bürger:innen anhand der Parteiprogramme keinen Reim machen. Die in der Geschichte der Bundesrepublik bisher stärksten Einschränkungen unserer Grundrechte sind auf diese Weise nicht einmal Thema vor und in der Wahl. Das von GESUNDHEIT AKTIV beauftragte erste Bürgergutachten Gesundheit gibt hier eine neue Richtung vor. Dennoch wird es vieler neuer Anläufe bedürfen, um hier ein neues Selbstbewusstsein der Betroffenen entstehen zu lassen.

Quellen:
healthpolicy-online, 4. August 2021
ABDA Pressemitteilung, 9. September 2021
Wahlradar Gesundheit