Nur vier Tage nach Bekanntwerden des Gesetzesvorschlags zu einer Neuregelung der Triage im Falle einer pandemiebedingten Notlage hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach den Entwurf auch schon wieder zurückgezogen. Grund für das rasche Zurückrudern war sicherlich die harsche und laute Kritik unterschiedlichster Verbände, aber auch der eigenen Regierungspartner von den GRÜNEN. Besondere Kritik hatte die höchst umstrittene Regelung zur sogenannten Ex-Post-Triage hervorgerufen. Ex-Post-Triage bedeutet, dass bei knappen Ressourcen eine bereits begonnene intensivmedizinische Behandlung eines Patienten oder einer Patientin abgebrochen werden kann zugunsten von jemandem, der eine bessere Überlebensprognose hat. Dieses Verfahren ist medizinethisch mehr als umstritten und wird in Deutschland von der Mehrzahl der Strafrechtler als Totschlag betrachtet. „Ex-Post-Triage ist ethisch nicht vertretbar und weder Ärzten, Patienten noch Angehörigen zuzumuten. Deshalb werden wir es auch nicht erlauben.“ schrieb der Minister daher auch in einer Mitteilung an die Presse. Erstaunlich nur, dass er selbst nur ein paar Tage vorher den Entwurf als das Ergebnis zwischen Gesundheits- und Justizministerium präsentiert hatte.

Nötig ist eine Neufassung der gesetzlichen Regelung nicht zuletzt, da das Bundesverfassungsgericht  von der Regierung verlangt hatte, die Rechte behinderter Menschen endlich wirksam zu schützen und mögliche Diskriminierungen aufgrund von Vorbehinderungen im Ernstfall von vornherein auszuschließen.

Quelle: Tagespiegel Background Gesundheit, 09.05.2022

GESUNDHEIT AKTIV meint:

Wenn wir hier darüber berichten, dann deswegen, weil wir höchst alarmiert sind. Selbst wenn diesem Gesetzentwurf nun das widerfahren ist, was er verdient hat, so schreckt es uns auf, dass es überhaupt dazu kommen konnte. Wie kann es tatsächlich sein, dass aus dem Bundesministerium für Gesundheit ein Gesetz vorgeschlagen wird, was den selbstverständlichen ethischen Standards des ärztlichen Berufes zentral widerspricht? „Ich werde die Autonomie und die Würde meiner Patientin oder meines Patienten respektieren. Ich werde den höchsten Respekt vor menschlichem Leben wahren. Ich werde nicht zulassen, dass Erwägungen von Alter, Krankheit oder Behinderung, Glaube, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politischer Zugehörigkeit, Rasse, sexueller Orientierung, sozialer Stellung oder jeglicher anderer Faktoren zwischen meine Pflichten und meine Patientin oder meinen Patienten treten.“ So heißt es in der Genfer Deklaration des Weltärztebundes, der sich alle Ärzte verpflichtet sehen. Der Gesetzentwurf geht zentral dagegen vor, selbst wenn man in Betracht zieht, dass Ärzte u.U. auch Entscheidungen dazu treffen müssen, wen sie mit welcher Prognose in einem Katastrophenfall zuerst behandeln. Einem fatalen Behandlungsabbruch das Wort zu reden und ihn gar gesetzlich festzuschreiben wäre Ausdruck einer utilitaristischen Ethik, auf deren Grundlage letztlich auch Euthanasie zu rechtfertigen wäre. Karl Lauterbach scheint hier bereits entschieden zu sein.

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