Wird ein Vertrag zwischen dem BKK-Landesverband Nordwest und der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein zum Meilenstein im Kampf gegen multiresistente Keime? Die bundesweit einmalige Modellvereinbarung soll ab 1. Januar 2017 gelten und sieht vor, dass niedergelassene Ärzte künftig nur noch Antibiotika verordnen sollen, die den Patienten nachweislich helfen. Kein Mittel soll mehr ohne vorherigen Wirksamkeitstest verschrieben werden.

Was ganz selbstverständlich klingt, ist es leider nicht. Der größte Anteil der Antibiotika wird „blind“, auf Verdacht, verschrieben. Im Juli 2016 hatte die BKK Abrechnungsdaten von sieben Millionen Versicherten aus 13 Bundesländern ausgewertet und festgestellt: Rund 95 Prozent der bei Infektionen ärztlich verordneten Antibiotika werden verschrieben, ohne dass geprüft wird, ob sie gegen die verursachenden Bakterien auch wirken. Nur bei 3,6 Prozent der Patienten war zuvor sichergestellt worden, dass ihnen das verordnete Antibiotikum auch nützt. Ein möglicher Wirksamkeitstest, das so genannte Antibiogramm, wird in der ärztlichen Praxis bisher kaum eingesetzt: Unter mehr als 350.000 Harnwegs- und Wundinfektionen, die antibiotisch behandelt wurden, waren ganze 0,004 Prozent durch ein Antibiogramm abgesichert.

Regional soll nun bewiesen werden, dass es auch anders geht. Bei Patienten mit Wund- und Harnwegsinfektionen muss nun zuerst ein Antibiogramm gemacht werden – das im Übrigen auch Auskunft darüber gibt, ob überhaupt ein Antibiotikum angemessen ist, und ggf. welches. Die neue Regelung, von der zunächst rund 180.000 BKK-Versicherte in den Großräumen Essen und Duisburg profitieren, betrifft rund 850 Ärztinnen und Ärzte, in erster Linie Allgemeinmediziner, Hals-, Nasen-, Ohrenärzte, Kinder- und Jugendärzte. Peter Potthoff, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, ist optimistisch: „Wenn dieser Vertrag entsprechende Ergebnisse zeigt, besitzt er für ganz Deutschland Modellcharakter.“

Stefan Schmidt-Troschke von GESUNDHEIT AKTIV begrüßt die Pläne: „Das Projekt ist ein sinnvoller Versuch, die Verordnungszahlen für Antibiotika bei den niedergelassenen Ärzten endlich zu senken. Die Komplementärmedizin macht seit Jahren vor, dass es meist auch ohne Antibiotika geht – nur kommt das in der ambulanten Praxis bei den Kollegen noch viel zu wenig an. Man darf gespannt sein, ob die neue Modellvereinbarung ein Schritt auf diesem Weg ist.“

Quelle: „Patienten bekommen Antibiotika nur noch nach Test verordnet“, Der Westen (online am 23. November 2016)

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