Angesichts der Altersstruktur und der Herausforderungen bei der Nachwuchsgewinnung, könnten bis 2035 gut 11.000 hausärztliche Praxissitze nicht besetzt sein. Diese alarmierenden Zahlen berichtete Dr. Christine Neumann-Grutzeck, Präsidentin des Berufsverbandes Deutscher Internisten (BDI) anlässlich des Deutschen Internistentages Mitte September in Berlin. Das liegt auch an strukturellen Mängeln: Bisher können nur angehende Fachärzt:innen für Allgemeinmedizin die Förderung der ambulanten Weiterbildung im hausärztlichen Bereich in Anspruch nehmen, nicht aber Internist:innen, die jedoch einen zunehmenden Anteil an der Versorgung haben. Zudem stehen der Niederlassung oft gesetzliche Regelungen entgegen.

Dass die medizinische Versorgung der Bevölkerung gerade auf dem Land mangelhaft ist und sich künftig noch verschärfen wird, zeigte auch die Online-Diskussion mit Gesundheits-Politiker:innen aller im Bundestag vertretenen Parteien am 23. September 2021 im Rahmen des Bürgergutachtens Gesundheit. Maria Klein-Schmeink von den Grünen sagte dort, in Deutschland gebe es zwar die höchste Zahl von ärztlichen Kontakten, aber gleichzeitig dabei auch die geringste Sprechzeit. Die Primärversorgung solle berufsgruppenübergreifend ausgebaut werden. Wohnortbezogene Pflegekräfte nach dem Modell der früheren „Gemeindeschwestern“ – im Osten hießen sie „Schwester Agnes“ – könnten die Ärzt:innen entlasten und eine Grundversorgung gewährleisten.

Um den zunehmenden Mangel an Ärzt:innen zu beheben, wird derzeit über eine Quote bei der Zulassung zum Medizinstudium diskutiert: Wer sich verpflichtet, anschließend als Landärztin oder -arzt tätig zu werden, wird bei der Vergabe der Studienplätze bevorzugt. Einige Bundesländer haben eine solche Quote für Landärzte bereits eingeführt. Zusätzlich hat der Bundesrat jetzt die Möglichkeit eröffnet, eine solche Quote auch für künftige Ärzt:innen im Öffentlichen Gesundheitsdienst einzuführen.

Solche Quoten stehen allerdings massiv in der Kritik: „Quoten lösen Probleme erst in zwölf Jahren und damit nicht schnell genug“, meint Prof. Dr. Martina Kadmon, Gründungsdekanin der Medizinischen Fakultät der Universität Augsburg. Sie plädiert eher dafür, Studierende schon früh in die Praxen zu schicken, damit sie dort Erfahrungen sammeln können. „Es gibt kaum Studierende, die von Anfang an wissen, in welche Fachrichtung sie gehen wollen – die Präferenz ändert sich oft innerhalb eines Semesters mehrmals“, sagt auch Jakob Voran von der Fachschaft Medizin an der Uni Kiel.

Der BDI kritisierte auch die Fehlanreize des Fallpauschalen-Systems (DRG) und unzureichende Investitionen der Länder. Beides habe dazu geführt, dass wirtschaftlicher Druck den Arbeitsalltag der Ärzt:innen bestimme. Wie die Pflegepersonalkosten sollen künftig auch die Arztkosten aus den DRGs ausgegliedert werden. Der Ärzt:innenmangel betreffe nicht nur die ländlichen Regionen, sondern auch die Krankenhäuser, wo die Ärzt:innen jährlich etwa 65 Millionen Überstunden leisten.

Quellen:

aerzteblatt.de, 24. September 2021
Wahlradar Gesundheit

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