Als Reaktion auf die zunehmende Ökonomisierung des Gesundheitswesens hat die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) den neuen Klinik Kodex „Medizin vor Ökonomie“ ins Leben gerufen. Mit dieser Verhaltensmaxime verpflichten sich Mediziner, ihr ärztliches Handeln stets am Wohl des Patienten auszurichten, mit „absolutem Vorrang gegenüber ökonomischen Überlegungen“.

Gleichzeitig sollen sich Ärzte im beruflichen Alltag und insbesondere in der Argumentation gegenüber rein wirtschaftlich orientierten Handlungsvorgaben auf den Kodex berufen können. Ziel ist zudem, das Vertrauen von Patienten und Bevölkerung zurückzuerobern.

Wirtschaftliche Fehlanreize im Krankenhaus
„Wachsender Kostendruck und ökonomisch orientierte Zielvorgaben im Klinikbetrieb behindern den ureigenen Auftrag von Ärzten, dem Wohl aller Patienten nach bestem ärztlichen Wissen zu dienen und Jedem eine leitliniengerechte und fürsorgliche Medizin sowie solidarische Hilfe zukommen zu lassen“, sagt Professor Dr. med. Petra Maria Schumm-Draeger, stellvertretende Vorsitzende der DGIM. „Die Folgen für Patienten sind gravierend.“ Die wirtschaftlichen Fehlanreize führten zu einer Überversorgung in gut bezahlten Domänen, etwa der Gerätemedizin mit MRT, CT oder Röntgen. Gleichzeitig haben sie Unterversorgung in der nicht ausreichend vergüteten sprechenden Medizin mit Ärztemangel und langen Wartezeiten zur Folge. Stark betroffen hiervon ist beispielweise die Behandlung von betreuungsintensiven Volkskrankheiten wie Diabetes oder Rheuma.

Patienten schützen
Der Klinik Kodex sei ein weiterer Vorstoß der DGIM, um Ärzte und Patienten vor der Entwicklung hin zur ökonomisch geleiteten Medizin zu schützen. „Klinikärztinnen und -ärzte müssen im klinischen Arbeitsalltag zum Teil viel Zeit und Kraft in Rechtfertigungen und Begründungen investieren, warum sie sich im Sinne ihrer Patienten entscheiden“, sagt sie. Mit dem Klinik Kodex wolle man Orientierung und Solidarität bieten, auch indem er konkret auf den heutigen Klinikalltag zugeschnittene Haltungs- und Verhaltensempfehlungen gebe.

Der Geschäftsführer von GESUNDHEIT AKTIV, Stefan Schmidt-Troschke, bewertet die Initiative positiv: „Eigentlich sollte es ja selbstverständlich sein, dass Ärzte in erster Linie der angemessenen Versorgung ihrer Patienten verpflichtet sind. Doch die Realität sieht längst anders aus. Gemacht wird, was Geld bringt. Die sogenannte sprechende Medizin wird hingegen kaum vergütet. Aber ehrlicherweise müssten Ärzte zugeben, dass sie an dieser Entwicklung mit ihrer Fokussierung auf ‚höher, weiter, schneller’ in der Medizin nicht ganz unschuldig sind. Ob die Patienten das überhaupt wollten, hat keiner gefragt. Heute empfinden auch viele Ärzte die zunehmende Ökonomisierung als belastend und bemühen sich, die Büchse der Pandora wieder zu schließen. Hoffentlich kann der Kodex zu einem Wertewandel beitragen.“

Quelle:
„Klinik Kodex: Internisten prangern Ökonomisierungsdruck an“, Deutsches Ärzteblatt, 19. September 2017

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