Seit die Fallpauschalen 2003 unter der Regierung von SPD und Grünen bundesweit eingeführt wurden, gibt es Kritik daran – zu Recht. Denn diese „DRGs“ (Diagnosis Related Groups), nach denen Diagnostik und Therapie in Kliniken abgerechnet werden, setzen die falschen Anreize. Der Mensch ist in Gefahr, zu dem zu werden, was in der Sprache der Betriebswirte Cash-Cow genannt wird, also die Kuh, die das Geld reinbringt. Und das sehen wir im Moment als ein großes Problem in der Krankenhausplanung.“ So lautet ein Statement des Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Karl Wehkamp im „Nordmagazin“ des Norddeutschen Rundfunks (NDR) vom 22. Juli 2020. Controller haben heute in Kliniken oft mehr Macht als Ärzte. 

Vor allem bei der Behandlung von Kindern und auch in der Geburtshilfe entsprechen die Fallpauschalen längst nicht dem, was an Aufwand für Behandlung und Pflege aufzuwenden ist. Bei den Geburten wird z. B. ein Kaiserschnitt nach wie vor deutlich höher honoriert als eine normale Geburt – nicht zuletzt darauf sind die hohen Kaiserschnittraten (36 Prozent im Durchschnitt, an manchen Kliniken über 60 Prozent!) hierzulande zurückzuführen. Und auch bei den Kindern reichen die Fallpauschalen meist nicht aus, um den Aufwand entsprechend auszugleichen. Sowohl Geburtshilfe- als auch Kinderstationen sind deshalb schon vielerorts geschlossen worden – nicht, weil es keinen Bedarf gäbe, sondern aus wirtschaftlichen Gründen. 

Umso bemerkenswerter erscheint es, dass inzwischen namhafte Politiker*innen sich gegen die Fallpauschalen wenden. Dazu gehört die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD). Sie sagte, die Profitorientierung im Gesundheitswesen könne so nicht aufrechterhalten werden. Viele Kinderkliniken, vor allem auf dem Land, würden sich damit nicht mehr rechnen. Mecklenburg-Vorpommern werde deshalb eine Initiative im Bundesrat starten, um die Fallpauschalen abzuschaffen. Die Ministerpräsidentin weiß sich darin mit vielen anderen Politiker*innen einig, z. B. auch mit Gesundheitsminister Harry Glawe von ihrem Koalitionspartner CDU und dem Präsidenten der Landesärztekammer, Andreas CrusiusCrusius sagte, Gesundheit dürfe keine Handelsware sein, und statt der Fallpauschalen sollen auch Kliniken wie niedergelassene Ärzt*innen nach einer Gebührenordnung abrechnen. 

Inzwischen hat das Präsidium der SPD ein Positionspapier zur Kinder- und Jugendmedizin beschlossen, das die Herausnahme der Pädiatrie aus den DRGssichere Medikamente für Kinder sowie den Aufbau eines Kompetenznetzes für Forschung und Kooperation im Bereich der Kindergesundheit fordert

Gesundheit aktiv meint
Man darf gespannt sein, ob sich hier tatsächlich eine Wende ankündigt – sie sollte sich allerdings nicht auf die Kinderkliniken beschränken

TV-Tipp:  
Sehenswert zu diesem Thema ist ein Beitrag der ARD vom 20. Juli 2020: Markt macht Medizin (verfügbar bis 20. Juli 2021). 

Quellen:  
NDR 1 Mecklenburg-Vorpommern, 22. Juli und 23. Juli 2020 
aerzteblatt.de, 28. Juli 2020