Newsletter Dezember 2020 – Das Internet bzw. „Dr. Google“ ist für die meisten von uns die erste Anlaufadresse geworden, wenn es um Fragen zu Gesundheit und Krankheit geht. Damit die Antworten des Bundesgesundheitsamtes auf solche Fragen als erstes gefunden werden, hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn jetzt eine Zusammenarbeit mit dem Internetkonzern Google gestartet. Sein Portal gesund.bund.de soll dadurch prominenter in den Suchergebnissen platziert werden. Denn: „Wer nach Gesundheitsthemen googelt, ist unsicher und braucht dringend Rat, daher ist es wichtig, dass man sich auf die Informationen verlassen kann, die man dort findet“, so Spahn auf einer Pressekonferenz zu der neuen Partnerschaft in Berlin. Er möchte damit bewirken, dass sein Portal „die zentrale Anlaufstelle für Gesundheitsinformationen“ wird.

Wer nach entsprechenden Stichworten sucht, wird bei Google ab sofort farblich hinterlegte Kästen („Knowledge Panels“) finden, die das Interesse auf sich ziehen und die Interessierten auf gesund.bund.de leiten sollen.

Die Kooperation bezieht sich aber nicht nur darauf. Spahn will zusammen mit den Algorithmen von Google auch dafür sorgen, dass evidenzbasierte Informationen höher gerankt werden. Was darunter konkret zu verstehen ist, definiert dann offenbar das Ministerium auf seine Weise. Bereits jetzt geht die zum Google-Konzern gehörende Video-Plattform YouTube gezielt gegen „Falschinformationen“ vor und löscht sie eigenmächtig. Viele Menschen haben das bereits zu spüren bekommen, wenn sie kritische Berichte und Interviews zu den Corona-Maßnahmen bei YouTube einstellten. Der Vize-Präsident von Google für Zentraleuropa, Philipp Justus, erklärte stolz, man habe bereits mehr als 11 Millionen Videos mit Falschinformationen gelöscht, mehr als 200.000 davon waren Filme zu Corona.

GESUNDHEIT AKTIV meint:
Es ist schon bemerkenswert, wenn ein Ministerium sich mit dem weltgrößten Internetkonzern verbündet, um die eigenen Informationen prominenter zu platzieren und somit einen Informationsvorsprung zu allen anderen Anbietern zu bekommen. Medienverbände sehen darin einen beispiellosen Affront und fürchten um die Pressefreiheit. Die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein prüft gerade die Möglichkeit, ein medienrechtliches Verfahren gegen Google einzuleiten. Denn laut Medienstaatsvertrag dürfen Konzerne wie Google nicht willkürlich journalistische Angebote bevorzugen oder verhindern.

Verständlich ist der Zorn über diese Kooperation schon. Die privatwirtschaftlichen Gesundheitsportale, die u. a. auch von großen Verlagen betrieben werden, werden damit zwar nicht ins Abseits gedrängt, aber doch auf die hinteren Plätze verwiesen, obwohl sie viel Geld investieren, um von Google auf der ersten Seite gelistet zu werden. Mit dem – vermutlich nicht kostenlosen – Deal hat sich der Minister nun einen deutlichen Vorteil verschafft.

Kein Wunder also, dass sich die Medienverbände darüber empören: Ein vom Ministerium betriebenes Fachmedium mit vollwertiger redaktioneller Berichterstattung über Gesundheitsfragen, sei „mit der Staatsfreiheit der Medien nicht vereinbar und ein unannehmbarer Eingriff in den freien Pressemarkt, der sich nach wirtschaftlichen Grundsätzen finanzieren“ müsse, so Rudolf Thiemann, Präsident des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger. Ganz unrecht hat er nicht: Wie sollen diese Redakteure einen Sachverhalt unvoreingenommen und kritisch darstellen, wenn sie vom Ministerium selbst bezahlt und damit von ihm abhängig sind? Sie werden auch schwerlich Zustände kritisieren oder Maßnahmen als unsicher oder unberechtigt anprangern, wenn dies der Regierungslinie zuwiderläuft. Andererseits ist auch die Berichterstattung in den „normalen“ Medien nie ganz neutral – dafür sorgt schon die Abhängigkeit von Anzeigenschaltungen, in Printmedien ebenso wie online oder in Rundfunk und Fernsehen.

Quelle:
aerzteblatt.de, 10. November 2020
pharmazeutische-zeitung.de, 12. November 2020
pharmatzeutische-zeitung.de, 23. November 2020