Früherkennung
Vorsorgeuntersuchung: Vorteile und Risiken
Viele Jahre galt es als selbstverständlich, dass Früherkennungs-Untersuchungen eine gute Sache sind. Frei nach dem Motto: früh erkannt, Gefahr gebannt. Und es leuchtet ja auch ein, dass eine Krankheit umso besser heilbar sein kann, je früher sie erkannt wird. Vor allem bei Krebserkrankungen, die sich rasch ausbreiten und Metastasen setzen können. Die Logik, dass der Krebs besser bekämpft werden kann, wenn er im Frühstadium entdeckt wird, erschien unmittelbar einleuchtend.
Inzwischen lassen viele Studien jedoch Zweifel aufkommen. Vor allem das mit viel Aufwand propagierte Brustkrebs-Screening konnte die Erwartungen bei weitem nicht erfüllen.
Generell sind die meisten Menschen über die Risiken, die eine Früherkennungsuntersuchung mit sich bringt, nicht oder nur schlecht informiert. Das zeigte jüngst eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, in der 930 Frauen und 865 Männer befragt wurden, wie gut sie sich in diesem Thema auskennen. Nur jeder dritte stimmte dabei der Aussage zu, dass Früherkennungs-Untersuchungen auch Risiken bergen. Jeder vierte hielt dies für falsch, rund 40 Prozent gaben an, dazu nichts zu wissen. Mehr als drei Viertel der Befragten gaben an, der Rat ihres Arztes für oder gegen eine solche Untersuchung sei ihnen besonders wichtig. Das galt vor allem für Menschen zwischen 60 und 79 Jahren. Nur knapp die Hälfte der Befragten gab an, bei ihrer letzten Früherkennungs-Untersuchung über Nutzen und Risiken so umfassend informiert worden zu sein, dass sie eine eigene, selbstbestimmte Entscheidung hätten treffen können. Jeder vierte gab an, nicht ausreichend aufgeklärt worden zu sein, etwa 29 Prozent sagten: "weiß ich nicht mehr".
Höchst umstritten
Das Mammografie-Screening in Deutschland
Seit seiner Einführung im Jahr 2005 bestehen viele Zweifel am Nutzen des Mammographie-Screenings. Zwar werden damit tatsächlich einige Tumore im Frühstadium erkannt, aber es gibt auch sehr viele falsch-positive Befunde. Das heißt: Es besteht der Verdacht auf einen bösartigen Tumor, was diverse, teilweise belastende und eingreifende weitere Untersuchungen nach sich zieht; am Ende handelte es sich aber um einen Fehlalarm. Nicht selten sind es auch Gewebe-Auffälligkeiten, die zu Lebzeiten der betroffenen Frauen gar keine Relevanz gehabt hätten.
Eine 2014 veröffentlichte Studie kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: insgesamt werden 3 bis 14 Frauen unnötig überdiagostiziert und überbehandelt, um 3 Frauen das Leben zu retten, die sonst aufgrund einer zu späten Diagnose gestorben wären. Eine unabhängige Kommission in der Schweiz sichtete alle bis 2014 vorliegenden Studien und resümierte, dass der Nutzen des Screenings den Schaden nicht aufwiegt. Daten aus den Niederlanden sprechen eher von einem leichten statistischen Vorteil zugunsten des Screenings.
Peter Gøtzsche und Karsten Jørgensen vom Nordic Cochrane Centre in Kopenhagen kritisieren das Screening-Programm ebenfalls seit vielen Jahren. Ihr jüngstes Reümee aus dem Jahr 2013 gibt zu denken: Gehen 2000 Frauen zehn Jahre lang regelmäßig zu Screening, wird eine von ihnen zwar vor dem Tod durch Brustkrebs gerettet, aber gleichzeitig werden zehn Frauen unnötig einer Brustkrebstherapie unterzogen, und mehr als 200 versetzt ein Fehlalarm in Panik (siehe hierzu auch den Artikel in der ZEIT "Wie aus einer gesunden Frau eine Brustkrebs-Patientin wird" vom 4. August 2014).
Die Entscheidung für oder gegen das Screening ist immer eine individuelle (siehe hierzu auch das Merkblatt der GAÄD; auch wenn es aus dem Jahr 2008 stammt, so enthält es doch viele wichtige Informationen, die auch heute noch zum Nachdenken anregen). Hinzu kommt, dass die Mammographie alleine meistens keine aussagekräftigen Ergebnisse liefert, sondern möglichst immer mit einer Ultraschall-Untersuchung kombiniert werden sollte.
Eine Magnetresonanz-Tomographie (MRT) liefert meist die genauesten Ergebnisse. Eine besondere Expertise besteht hier am Universitätsklinikum Aachen bei Prof. Dr. Christiane Kuhl. Sie hat 2014 ein neues Verfahren entwickelt, mit dem eine MRT nur noch drei Minuten dauert – genauso lange wie eine Mammographie. Mit dieser Methode ließen sich gerade die hoch gefährlichen schnell wachsenden Tumore bei Frauen mit normalem Risiko entdecken, die weder in der Mammographie noch im Ultraschall vermutet oder erkannt worden wären. Bisher bezahlen die Kassen eine MRT allerdings nur bei Frauen mit extrem erhöhtem Erkrankungsrisiko – was umso unbefriedigender ist, als zahlenmäßig bei weitem mehr Frauen ohne besondere Risikosituation an Brustkrebs erkranken. Gerade bei ihnen könnte das neue MRT-Verfahren dazu beitragen, die Sterblichkeit zu verringern.