Kathrin Fezer Schadt Lilium Rubellum Gesundheit Aktiv minBerlin, 09. Dezember 2016. Fast jede Schwangere in Deutschland geht zur Schwangerschaftsvorsorge. Ab der ersten Ultraschalluntersuchung wird sorgfältig alles registriert. Eine Selbstverständlichkeit heute. Nicht selten allerdings setzen diese Routineuntersuchungen eine Kaskade weiterer diagnostischer Maßnahmen in Gang – mit Konsequenzen, die kaum je vorab thematisiert werden. Wie hilflos und ausgeliefert sich werdende Eltern demgegenüber sehen, darüber sprachen gestern die Autorin Kathrin Fezer Schadt (Foto), Dr. Lars Garten (Charité), Angelika Maaser (Frauenheilkunde) und die Journalistin Kirsten Achtelik bei GESUNDHEIT AKTIV in Berlin.

Der Bürger- und Patientenverband GESUNDHEIT AKTIV e. V. hatte am 8. Dezember die Autorin Kathrin Fezer Schadt eingeladen, aus ihrem Roman ‚Lilium Rubellum‘ zu lesen. Darin geht es um die Geschichte einer werdenden Mutter, die erfährt, dass ihr Kind nach der Geburt nur für kurze Zeit überleben wird. Die Handlung verläuft auf verschiedenen Wegen weiter: Einmal trennt sich die Mutter von ihrem Kind noch in der Schwangerschaft, in der anderen Version bringt sie es auf natürlichem Weg auf die Welt. Sie erzählt, wie sich scheinbar selbstverständlich aus der Diagnostik heraus medizinische Konsequenzen ergeben, d.h. Schwangerschaftsabbruch. Es fehlen Menschen, die helfen abzuwägen und die Situation zu verstehen. Die Mutter bleibt – fast immer – allein bei ihrer Entscheidungsfindung.

In der anschließenden Diskussion mit den eingeladenen Experten, moderiert von GESUNDHEIT AKTIV Geschäftsführer Dr. Stefan Schmidt-Troschke, kamen alle Beteiligten zu dem Fazit: Jede Schwangere hat nicht nur ein Recht, zu erfahren, was genau die durchgeführten Untersuchungen mit sich bringen können, sondern auch ein Recht auf Nichtwissen. Werdende Eltern sollten unvoreingenommen aufgeklärt werden über die Möglichkeiten, Risiken und Konsequenzen der Pränataldiagnostik. Nur dann können sie abwägen und vor allem entscheiden, wieviel pränatale Diagnostik im individuellen Fall überhaupt notwendig, sinnvoll und gewollt ist. Denn mit der Anzahl der Tests wächst auch der Druck. „Mit den meisten Tests wird nach Abweichungen oder Behinderungen gesucht, deren Feststellung nur in einem Bruchteil der Untersuchungen das physische Wohl von Mutter und Kind betrifft. Letztlich wird nach Behinderungen gesucht, deren Feststellung keinen medizinischen Nutzen hat, sondern ethische Fragen aufwirft“, so die Journalistin Kirsten Achtelik. „Der Aufbau einer wirklich inklusiven Gesellschaft, in der alle Menschen ohne Angst vor Missachtung unterschiedlich sein können, sollte Priorität haben vor der weiteren Ausdehnung der pränatalen Diagnostik.“

Kommt es dann tatsächlich zu einer Diagnose, so „sollte die primäre Aufgabe der vorgeburtlich Beratenden sein, die betroffenen Eltern zu befähigen, eine gut informierte, gestützt-autonome Entscheidung zu treffen – im Einklang mit ihrer Hoffnung, ihrem Glauben, ihren Wertvorstellungen und ihrer individuellen Lebenssituation“, appellierte Dr. Lars Garten, Leiter des Palliativteams der Neonatologie an der Charité. Oft fehle es auch an Informationen zu den Alternativen eines Schwangerschaftsabbruchs. „Wichtig sind daher genug Zeit und Raum für Beratung, die auf die Bedürfnisse des jeweiligen Paares zugeschnitten ist und neben den medizinischen Fragen auch soziale, psychologische und praktische Hilfen einschließt“, ergänzt die Frauenärztin Angelika Maaser.

Die Lesung und Gesprächsrunde wurde organisiert von dem Bürger- und Patientenverband GESUNDHEIT AKTIV e. V., Berlin, in Kooperation mit dem Projekt Dr. Ulla Franken der Stiftung Bewusstseinswissenschaften.

Weitere Informationen zum Thema auch unter www.gesundheit-aktiv.de/kompetent-entscheiden