Es war eine Nachricht, die geraume Zeit unter dem Deckel gehalten wurde: Auch Geimpfte können weiterhin an Covid-19 erkranken und das Virus weiterverbreiten, sind aber dennoch vor schweren Verläufen geschützt. Die Daten dazu waren dem Center for Disease Control (CDC) in den USA zwar bekannt und waren auch im Rahmen einer Präsentation vorgestellt worden, sie wurden jedoch erst veröffentlicht, als sie an die Presse durchgestochen wurden – und CNN sowie die Washington Post berichteten. Die Delta-Variante des Corona-Virus sei, „so ansteckend wie die Windpocken“, heißt es darin. Und sie könne eben in nennenswertem Umfang auch von Geimpften weitergegeben werden. Tödlicher als die bisherigen SARS-CoV-2-Varianten ist die Delta-Mutante jedoch keineswegs, sie ist lediglich infektiöser, wie Reuters berichtet. Rochelle Walensky, die Chefin der CDC, begründet damit einer Meldung der Tagesschau zufolge die Empfehlung, dass in den USA selbst zweimal Geimpfte wieder Masken tragen sollen, nachdem sie Maskenpflicht vielerorts komplett aufgehoben worden war.

Auch aus Israel wurden solche Durchbruch-Infektionen gemeldet, wie das Deutsche Ärzteblatt schreibt, und gemäß Eurosurveillance ebenso in Bayern. Geimpfte könnten somit sogar zu „Superspreadern“ werden, wie der Spiegel meint, vor allem wegen der hochinfektiösen Delta-Variante, die für 90 Prozent der Durchbruch-Infektionen verantwortlich ist.

Damit bestätigt sich, was viele Ärzt:innen und Wissenschaftler:innen schon lange vertreten: Die Corona-Impfungen können zwar vor einem schweren Krankheitsverlauf schützen, sie führen aber nicht zu der vielbeschworenen Herdenimmunität, wie ein Video des Kinder- und Jugendarztes Steffen Rabe anschaulich erklärt. Damit ist ein Gutteil der einseitigen auf Impfung setzenden Strategie zur Bekämpfung von Covid-19 Makulatur – wie inzwischen sogar Artikel in wissenschaftlichen Fachzeitschriften wie dem British Medical Journal zugeben. Wer geimpft ist, kann das Virus trotzdem weiterverbreiten – es ist nur unklar, in welchem Maße. Die qualitativ hochwertigsten Studien dazu lassen den Schluss zu, dass das Risiko sich um maximal 50 Prozent verringern lässt. Die Daten aus den USA legen jetzt nahe, dass Geimpfte sogar eine genauso hohe Viruslast in Nase und Rachen tragen können wie Ungeimpfte. Und es ist schon bemerkenswert, dass die deutschen Medien diese Tatsachen doch weitgehend ignorieren, z. B. Christina Berndt von der Süddeutschen Zeitung bei Markus Lanz am 29. Juli, wo immer noch die Impfung propagiert wird, weil man damit ja eine Herdenimmunität erreichen könne.

Eben diese sei „in Deutschland nicht erreichbar“, gibt das Deutsche Ärzteblatt zu und zitiert dabei den Saarbrücker Pharmazie-Professor Thorsten Lehr. Dieser begründet seine Meinung allerdings mit „zu wenig Impfungen und einer zu geringen Impfbereitschaft“. Die bereits angelaufene „vierte Welle“ könne nur mit mehr Impfungen gebrochen werden, weil sich die Inzidenz sonst vervielfache. Schon jetzt rechnet Lehr mit einem erneuten Anstieg der Krankenhausbelegungen mit Covid-Patienten und versteigt sich sogar zu der Prognose, dass es „unter den jüngeren Patienten mehr Todesopfer geben“ werde.

Ganz anders dagegen die Begründung von Virologe Hendrik Streeck: „Mit diesen Impfstoffen werden wir keine Herdenimmunität erreichen“, erklärte er im Gespräch mit der WELT (kostenpflichtiges Video, ein Bericht darüber findet sich beim Redaktionsnetzwerk Deutschland). „Der Schutz durch den Impfstoff wird überschätzt. Bei immer mehr Menschen, die geimpft sind, können wir im Rachen das Virus nachweisen.“ Das heißt, sie können es dann auch übertragen. Eine Impfung sei dennoch sinnvoll und notwendig, um sich vor einem schweren Krankheitsverlauf zu schützen.

Auch Klaus Stöhr, Virologe und Epidemiologe und langjähriger Forschungskoordinator für SARS-Viren, betont in einem Interview mit dem Schweizer Internet-Medium infosperber: „Es wird keine Herdenimmunität geben.“ Eine solche sei nur bedeutsam, wenn ein Erreger eliminiert werden könne. Das könne bei SARS-CoV-2 jedoch nicht gelingen. Die Impfung sei trotzdem sinnvoll, weil „99,9 Prozent der Todesfälle in unserer Region bei Über-50-Jährigen auftreten. Darauf sollte sich eine Impfkampagne konzentrieren, die die Krankheitslast im Visier hat. Die darunter liegenden Altersgruppen können auch noch profitieren. Aber: Je jünger, desto näher bewegt man sich an die Grenze, wo das Risiko der Impfung den Nutzen überwiegt.“

Stöhr kritisierte in diesem Zusammenhang ein weiteres Mal das RKI: „Idealerweise hätte man Studien aufgleisen sollen, um ab Impfbeginn den Verlauf der Antikörperspiegel bei verschiedenen Personengruppen zu verfolgen. Dann wüssten wir vor diesem Herbst, bei welchen Personen er so tief abgesunken ist, dass sie eine Auffrischimpfung benötigen. Stattdessen schießt man jetzt vermutlich ‚aus der Hüfte‘ und impft alle über 50- oder über 60-Jährigen ein drittes Mal.“

Genau das haben die Gesundheitsminister von Bund und Ländern am 2. August einstimmig beschlossen: „Zweimal geimpfte ältere Menschen können dritte Impfung bekommen“, schreibt BILD. Damit sollen, wie Spahn meint, „besonders gefährdete Gruppen im Herbst und Winter bestmöglich geschützt“ werden: „Für sie ist das Risiko eines nachlassenden Impfschutzes am größten.“

Für solche Auffrischimpfungen ist die Datenlage jedoch noch nicht ausreichend, weshalb die STIKO eine dritte Impfung noch nicht empfiehlt, wie die Tagesschau berichtet. Das Kriterium dafür ist zum einen die Frage, ob die Immunantwort nachlässt (soweit das durch Laboruntersuchungen messbar ist), und ob bei Geimpften vermehrt Infektionen auftreten. Die STIKO ist sich in dieser Einschätzung einig mit den Gesundheitsexperten der USA, die eine dritte Impfung aufgrund möglicher schwerer Nebenwirkungen nicht für nötig erachten, wie die Nachrichtenagentur Reuters meldet (ein weiterer Reuters-Bericht dazu findet sich hier). Nichtsdestotrotz bereitet das RKI bereits solche „Booster-Impfungen“ vor, wie aus einem Papier zur „Vorbereitung auf den Herbst/Winter 2021/22“ hervorgeht.

Das scheint umso riskanter, als es längst noch nicht bewiesen ist, dass die Impfung gerade bei den Älteren völlig ungefährlich ist. Immer wieder werden Todesfälle in zeitlicher Nähe zur Impfung gemeldet. Dem wird aber meist nicht genauer nachgegangen. Der österreichische Neurowissenschaftler, Psychiater und Psychotherapeut Raphael Bonelli hat deshalb auf YouTube einen Aufruf gestartet. Er wollte wissen: Wie viele Menschen, die an oder mit Corona gestorben sind, kennen die Leute? Und wie viele Menschen, die an oder mit einer Corona-Impfung gestorben sind, sind ihnen aus ihrem unmittelbaren Umfeld bekannt? Daraufhin kamen innerhalb von zwei Tagen über 5.000 Kommentare, und das Video wurde von YouTube umgehend gelöscht – vermutlich weniger wegen der „medizinischen Falschaussagen“, wie behauptet wurde, sondern wegen dieser Kommentare. Der größte Teil der Kommentare konnte jedoch noch rechtzeitig gespeichert werden. AKTUALISIERUNG 5.8.2021, 20 Uhr: Das Video wurde inzwischen wieder freigeschaltet, mitsamlt der inzwischen fast 6.500 Kommentare. 

Dass die Nachfrage Bonellis nicht aus der Luft gegriffen oder komplett unbegründet ist, zeigt jetzt die Forderung von Peter Schirmacher, Chef-Pathologe der Universität Heidelberg und seit 2012 Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der darauf drängt, verstorbene Geimpfte häufiger zu obduzieren, wenn der Tod in zeitlicher Nähe zur Impfung steht, wie das Deutsche Ärzteblatt berichtet: „Der Direktor des Pathologischen Instituts in Heidelberg warnt vor einer hohen Dunkelziffer an Impftoten und beklagt: Von den meisten Patienten, die nach und möglicherweise an einer Impfung sterben, bekämen die Pathologen gar nichts mit.“ In Baden-Württemberg gibt es zwar eine von der Landesregierung geförderte Covid-19-Obduktionsforschung der Universitäts-Pathologien. Das Problem besteht für Schirmacher jedoch darin, dass Geimpfte meist nicht unter klinischer Beobachtung sterben: „Der leichenschauende Arzt stellt keinen Kontext mit der Impfung her, bescheinigt einen natürlichen Tod, und der Patient wird beerdigt. Oder er bescheinigt eine unklare Todesart und die Staatsanwaltschaft sieht kein Fremdverschulden und gibt die Leiche zur Bestattung frei.“ Mehr als 40 Menschen habe man bereits obduziert, die binnen zwei Wochen nach der Impfung verstarben. Schirmacher geht davon aus, dass bei 30 bis 40 Prozent die Impfung dafür ausschlaggebend war (siehe zu diesem Thema auch unseren Hörtipp zum Buch von Klaus Püschel). Die Häufigkeit tödlicher Impffolgen wird seiner Meinung nach unterschätzt – „eine politisch brisante Aussage“, wie das Ärzteblatt schreibt. Weshalb Schirmacher auch Widerspruch vom RKI und dem Paul-Ehrlich-Institut erntet – seine Aussage sei nicht nachvollziehbar.

Auch der Bundesverband Deutscher Pathologen dringt auf mehr Obduktionen von Geimpften. Es werde noch zu wenig obduziert, meint Johannes Friemann, der Leiter der Arbeitsgruppe Obduktion des Verbandes: „Man weiß noch gar nichts.“ Schon im März hatte der Verband in einem Schreiben an Jens Spahn gefordert, die Hausärzte für das Thema zu sensibilieren und die Gesundheitsämter anzuweisen, vor Ort Obduktionen anzuordnen. Der Brief, so Friemann, sei unbeantwortet geblieben.