Nicht erst seit die STIKO eingeknickt ist und die Impfung jetzt auch für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren empfohlen hat, stehen Teenager unter massivem Druck, sich impfen zu lassen. Entgegen allen Ankündigungen, für Nichtgeimpfte dürfe es keine Nachteile geben, verlangen einzelne Schulen inzwischen für die Teilnahme z. B. an Schülerfreizeiten einen Impfnachweis.

Als ginge es darum, viele, viele bunte Smarties zu verteilen, werden die Jugendlichen mit Bussen zum „kleinen Pieks“ geschafft, kommt der Impfbus auf den Schulhof oder steht beim Festival, vor dem Fußballstadion, in Parks und auf Amüsiermeilen. Nicht überall stößt das auf Zustimmung. Als die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci die über 12-Jährigen direkt und persönlich angeschrieben hatte, um sie von einer Impfung zu überzeugen, protestierten Eltern mit einem Offenen Brief dagegen: „Wir Eltern fordern Sie auf, darzulegen, auf welcher Wissensgrundlage Sie unsere Kinder zum Impfen gegen das Coronavirus drängen. Denn Ihrem Schreiben fehlen sämtliche Ansätze für eine verantwortungsvolle und fürsorgliche gesundheitliche Aufklärung.“ Es sei „ein fragwürdiger Stil, die Erziehungs- und Sorgeberechtigten einfach zu umgehen“. Die Senatorin versuche, „Druck aufzubauen, nach dem Motto, Ihr dürft erst wieder Spaß haben, Sport machen und lernen, wenn Ihr alle durchgeimpft seid!“

Und das, obwohl feststeht, dass eine Corona-Infektion bei Kindern und Jugendlichen nur extrem selten einen schweren Verlauf hat, wie das Deutsche Ärzteblatt schreibt, und dass vor allem eine natürliche Infektion einen viel länger anhaltenden, zuverlässigeren Immunschutz bewirkt als jede Impfung, wie das RND berichtet: „Eine Studie aus Israel legt nahe, dass jemand, der sich mit dem Virus angesteckt hat, sogar besser vor der Delta-Mutante geschützt ist als jemand, der zwei Dosen des Corona-Impfstoffs von BioNTech/Pfizer erhalten hat – also vollständig geimpft ist“, heißt es dort. Das bedeute nicht, dass die Impfung nicht wirksam sei, betonen die Wissenschaftler, und man wolle damit auch nicht „Corona-Partys“ Vorschub leisten. Denn die Studie beziehe sich nur auf die Immunität, sie berücksichtige nicht die Probleme, die mit einer Corona-Infektion auch einhergehen können (Herzrhythmusstörungen, tiefe Venenthrombosen, Long Covid).

Ihr Immunsystem schütze Kinder auf doppelte Weise, berichtet „Spektrum der Wissenschaft“: Ihr angeborenes Immunsystem in den Schleimhäuten ihrer Atemwege sei viel aktiver als bei Erwachsenen und reagiere schneller auf Viren, denen es noch nie begegnet ist. Die Kinder seien dadurch auch sehr viel besser vor einem schweren Verlauf geschützt. Nur wenn dieses System gestört ist, z. B. durch einen erblichen Defekt, verschwinde dieser Schutzeffekt.

Dessen ungeachtet malt Karl Lauterbach (SPD) wieder einmal den Teufel an die Wand: „Wir laufen auf eine Durchseuchung der Kinder zu“, warnt er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Dabei ist schon die Wortwahl alarmierend: Wer möchte schon gerne „durchseucht“ werden …? Lauterbach besorgt „die Zahl der Kinder, die erkranken, denn das ist ja keine Kleinigkeit, wenn Kinder an Covid erkranken.“ Es stimme zwar, dass „in der Regel die Krankheit harmlos“ verlaufe. Aber: „Niemand von uns weiß genau, was die langfristigen Schäden von Covid bei Kindern sind. (…) Wir sollten da jede denkbare Erkrankung vermeiden.“

Anders als die STIKO hat die britische Impfkommission sich gegen eine Impfung bei 12- bis 15-Jährigen ausgesprochen, berichtet der SPIEGEL. Den Nutzen für gesunde Kinder stuft die Kommission als „wahrscheinlich gering“ ein. Man wolle erstmal die langfristigen Auswirkungen der bei jungen Menschen häufiger vorkommenden Herzmuskelentzündung als Nebenwirkung der Impfung mit BioNTech/Pfizer untersuchen, sagen die Briten. Stand 20. August 2021 verzeichnete das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) bei 24 Jugendlichen (22 Männer, zwei Frauen) eine solche Myokarditis. Das waren mehr Fälle als statistisch zu erwarten gewesen seien, schreibt die WELT. Insgesamt seien bis dahin 1,3 Millionen Impfdosen an Jugendliche abgegeben worden.

„Die Kinderimpfung wird die Pandemie nicht aufhalten“, meint der Chef der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, Tobias Tenenbaum, in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Auch Tenenbaum warnt davor, die Herzmuskelentzündungen auf die leichte Schulter zu nehmen: „Die gibt es bei Minderjährigen sonst so gut wie nie. Das muss man sehr ernst nehmen und kann es nicht einfach so abtun.“ Es sei jedoch eine extrem seltene Nebenwirkung und gut zu beherrschen. Die Impfung könne „die Virusausbreitung allerdings nicht signifikant aufhalten oder die Hospitalisierungszahlen drücken“, sagt Tenenbaum. „Kinder erkranken auch ohne Impfung kaum an Covid-19 und verbreiten die Infektion auch weniger als Erwachsene. Das ist durch wissenschaftliche Daten belegt. Man darf ihnen nicht die Verantwortung für den Pandemieverlauf aufbürden. Das haben vor allem wir Erwachsenen in der Hand.“

Dass Kinder meist gut mit einer Corona-Infektion zurechtkommen, zeigt auch die Tatsache, dass neun von zehn Corona-infizierten Kindern, die im Krankenhaus behandelt werden, wegen anderer Diagnosen dort sind (z. B. Knochenbrüche, Blinddarmentzündung), wie Jörg Dötsch anlässlich eines Pressebriefing des Science Media Centers erklärte (Bericht in der WELT). Gefährdet für einen schweren Verlauf seien nur Kinder mit bestimmten chronischen Vorerkrankungen oder starkem Übergewicht. In den Monaten August und September hätten lediglich drei Kinder in ganz Deutschland wegen Covid-19 intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Fast alle der bisher 23 Verstorbenen unter 20 Jahren hatten schwere Vorerkrankungen gehabt.

Um die Lücke der Corona-Impfung bei Kindern unter 12 Jahren zu stopfen, streben sowohl BioNTech/Pfizer als auch Moderna inzwischen die Zulassung für die Corona-Impfung von Säuglingen ab sechs Monaten noch für dieses Jahr an, berichtet das Handelsblatt. Die Studien dazu sollen im September und Oktober abgeschlossen sein. Danach könnte es eine „zügige Zulassung durch die europäische Arzneibehörde EMA geben, wie es auch schon bei den anderen Altersklassen der Fall war.“ Cuba hat mit den Covid-19-Impfungen bei Kleinkindern bereits begonnen, wie der SPIEGEL berichtet.

Kinderärzte sehen Coronaimpfungen bei unter 12-Jährigen jedoch kritisch – auch bei Kindern mit Vorerkrankungen, schreibt der SPIEGEL. „Auf gar keinen Fall sind wir für eine ‚Off-Label-Impfung‘“, sagte Jörg Dötsch, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik Köln. ‚Off label‘ bedeutet, ein Medikament zu geben, das für diesen Einsatz keine Zulassung hat. Allerdings passiert es schon jetzt, dass einzelne Ärztinnen und Ärzte Kinder unter 12 Jahren impfen.

In einem Offenen Brief an die Kanzlerkandidat:innen und die Kultus- und Familienminister:innen fordert die Initiative Familien „Bildungsgarantie und Normalität für Kinder und Jugendliche – Jetzt!" Schulschließungen und Einschränkungen für Kinder und Jugendliche seien weder gerechtfertigt noch eine Vorsorge, sondern „eine Hochrisikostrategie mit schwerwiegenden Folgen für Kinder, Jugendliche und ihre Familien, die wir uns nicht länger leisten können.“ Die jetzigen Hygiene- und Quarantäneregeln müssten „auf den Prüfstand“. Man solle sich ein Beispiel nehmen an den europäischen Nachbarländern wie Dänemark, Schweden, Norwegen, England und die Schweiz. Die extrem kostenintensiven und belastenden Tests bei asymptomatischen Kindern ohne konkreten Anlass müssten ein Ende haben. Auch dürfe der Zugang von Kindern und Jugendlichen zur Teilhabe an Bildung, Kultur und anderen Aktivitäten des sozialen Lebens nicht vom Vorliegen einer Impfung abhängig gemacht werden. Unterzeichnet haben diesen Offenen Brief auch einige Landeselternbeiräte sowie namhafte Kinderärzt:innen, Wissenschaftler:innen und andere Fachleute (insgesamt sind es – Stand 7. September – 5.665 Unterschriften).    

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