Noch vor wenigen Monaten hatte der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Corona-Inzidenz als Maßstab für die Gefahr, die von Corona-Infektionen ausgeht, als überholt erklärt. Künftig sollte die Belegung der Krankenhäuser das Maß der Dinge sein. Davon ist derzeit allerdings nicht viel zu spüren. Allerorten werden die Inzidenzen als besonders bedrohlich dargestellt – dass sie ansteigen würden, war allerdings zu erwarten. So hatte die Physikerin und Modelliererin Viola Priesemann schon im August für den Winter drei Szenarien errechnet, wie der SPIEGEL berichtet. Und darin spielt die Inzidenz dann eben doch eine beträchtliche Rolle, denn: „Je höher die Inzidenz, desto eher beschränken Menschen ihre Kontakte freiwillig und lassen sich impfen“, so Priesemann. Werden weniger eingreifende Maßnahmen erlassen, infizieren sich zwar mehr Menschen, was wiederum die Bereitwilligkeit zum Impfen fördere und im Frühjahr zu einer höheren Anzahl von Genesenen führe. Enge man den Spielraum für die Bevölkerung stärker ein, komme die Quittung womöglich im Frühjahr mit einer dann umso größeren Infektionswelle, wenn die Beschränkungen aufgehoben werden. Eine hohe Impfquote hält Priesemann in beiden Szenarien für entscheidend dafür, dass wir den Winter gut überstehen.

Ob solche Modellierungen wirklich aussagefähig sind, sei dahingestellt – umso mehr, als ein namhafter Physiker, Prof. Dr. Bernhard Müller von der Monash University in Australien, eine geschliffene Streitschrift dazu verfasst hat. Sie versteht sich als Addendum zum Thesenpapier 8.0 der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Matthias Schrappe und wurde beim Monitor Versorgungsforschung veröffentlicht. Darin spricht er von einem „weitgehenden Blindflug der Pandemiemodellierung“ und fragt: „Wo war die umfassende Lagefeststellung zum Stand der Dinge, wo war der Digest, der den mathematisch weniger versierten Entscheidungsträgern über die Untiefen der Modellierung aufklären hätte können? Wo waren die Vorträge, in denen nicht die eigene Arbeit vermarktet, sondern das Publikum von den Grundlagen weg an den Stand der Forschung hingeführt wurde? Wenigstens von den regierungsnahen Modellierern in Deutschland vernahm man nicht die Botschaft, dass sie erst um sich geschaut hatten, bevor sie nach vorne stürmten. Man gewann nicht den Eindruck, dass sie angesichts der Krisensituation mehr zu sein versuchten als Wissenschaftler und Lobbyisten in eigener Sache. (…) Wie konnte man auf der Basis höchst vereinfachter Simulationen ernsthaft mit dem Gedanken spielen, mit ein paar Wochen harter Maßnahmen im Sinne von ‚No Covid‘ ans Ziel zu gelangen?“

Die Frage ist, ob bei hohen Inzidenzen das Gesundheitssystem an seine Grenzen gerät oder nicht. Denn die Tatsache allein, dass mehr Menschen an Covid-19 erkranken, heißt ja noch nicht viel. Wichtig ist, wie schwer sie erkranken und ob sie zur Behandlung ins Krankenhaus oder gar auf die Intensivstation müssen – „Hospitalisierungsinzidenz“ heißt der Fachbegriff dafür, die jedoch die Auslastung für die Normal- und Intensivbetten zusammenfassend misst, was das Ergebnis für die Intensivstationen dann wieder nicht so recht aussagefähig macht, denn alle Häuser haben mehr Normal- als Intensivbetten.

Einige Kliniken melden derzeit bereits eine Komplett-Auslastung auf den Intensivstationen, in Sachsen heißt es sogar, man stehe in Sachen Corona „vor einer Tsunami-Welle“, wie Focus online berichtet. Geplant sind ab 8. November landesweit verpflichtende 2G-Regeln im Rahmen einer neuen Corona-Schutzverordnung, schreibt der MDR. Sie gelten u.a. für die Innengastronomie, Veranstaltungen in Freizeit- und Kultureinrichtungen, Fußballspiele, Weihnachtsmärkte, Clubs und Bars. Im Öffentlichen Nahverkehr sollen FFP2-Masken verpflichtend werden. Sachsen hat neben Thüringen eine eher niedrige Impfquote – allerdings sind es auch dort bei den über 60-Jährigen bereits 78,6 Prozent, bei den 18- bis 59-Jährigen immer noch 57,4 Prozent, wie aus einem Bericht des SPIEGEL hervorgeht. Dort ist auch eine Tabelle über die Impfquote in den anderen Bundesländern eingestellt – und wenn man sie betrachtet, fragt man sich einmal mehr, wie hoch die Impfquote eigentlich noch gesteigert werden soll. Im Bundesdurchschnitt liegt sie schon jetzt bei 85,3 Prozent für die über 60-Jährigen und bei 73,1 Prozent für die 18- bis 59-Jährigen.

„Testen, impfen,mehr Kontrolle – Spahns Plan für den Corona-Winter" meldet die WELT aus der Bundespressekonferenz, wobei ja nicht einmal klar ist, ob Jens Spahn im Winter überhaupt noch viel zu sagen hat – als Gesundheitsminister sind seine Tage ja gezählt. Nichtsdestotrotz und entgegen der allgemeinen Erkenntnis hält Spahn immer noch daran fest, dass wir es mit einer "Pandemie der Ungeimpften" zu tun hätten – die Realität auf den Intensivstationen sieht indes anders aus, wie sich aus einer Statistik erkennen lässt, die der Kinder- und Jugendarzt Steffen Rabe auf seiner Homepage ständig aktualisiert. Demnach sind Impfdurchbrüche derzeit eher ein Problem. Spahns Dreipunkte-Programm umfasst 1. 3G und AHA-Regeln konsequent umsetzen und ggf. durch 2G-Konzept verschärfen: "2G habe nichts mit 'Impfmobbing' zu tun, es gehe darum, lokale Überlastungen des Gesundheitssystems zu vermeiden."  2. Verpflichtende Testkonzepte für Pflegeheime, inklusive Testungen für Geimpfte und Genesene. 3. Eine umfangreiche Kampagne für Auffrischimpfungen in der Bevölkerung. Denn das derzeitige Tempo beim Boostern reiche nicht. Das Beispiel Israel zeige, wie wichtig das sei (siehe dazu auch den Abschnitt "2G und Boostern: Impfen als alleinige Rettung?"). 

Das Impfziel des Robert Koch Instituts (RKI) einer deutschlandweiten Impfquote von mindestens 80 Prozent halten viele Amtsärzt:innen für illusorisch, wie die WELT schreibt. Nicolai Savaskan, Leiter des Gesundheitsamtes im Berliner Bezirk Neukölln plädiert darin für 70 Prozent als neue Zielmarke. Denn „die eigentliche Immunität“ sei „sowieso deutlich höher“, weil die fünf Prozentpunkte, die das RKI kürzlich mit Verweis auf eine statistische Untererfassung auswies, noch dazukämen – plus sieben Prozentpunkte Genesene. „Wir brauchen auch in den Gesundheitsämtern eine Rückkehr zur Normalität“, so Savaskan. „Wir liegen kurz vor einer Immunität von 80 Prozent, die uns erlaubt, die Kontaktnachverfolgung nur noch bei vulnerablen Gruppen sowie medizinischen Einrichtungen wie Pflegeheimen und Kliniken durchzuführen.“ Mit dem Impfstoff und verbesserten Therapien schrumpfe Covid-19 „zu einer gesellschaftlich kontrollierbaren Infektionserkrankung. Maskenpflicht und Abstandsregeln könnten dann ebenfalls fallen.“ Auch der Leiter des Gesundheitsamtes Dortmund, Frank Renken, befürwortet eine Rückkehr zur Normalität: „Wir müssen an den Punkt kommen, an dem nicht mehr der Staat über die Gesundheitsämter die Bevölkerung schützt, sondern wieder jeder Mensch diese Verantwortung selbst trägt.“ Viel mehr als 70 Prozent Impfquote werde man im Gesamtquerschnitt der Bevölkerung nicht erreichen. „Da können Sie noch so viele niedrigschwellige Angebote machen, wie Sie wollen. Die Politik sollte mit ihrem Wunschdenken aufhören und in der Realität ankommen.“  Die Corona-Zeit habe „bei vielen Kindern und Jugendlichen dramatische Schäden angerichtet. Sie schwänzen die Schule, haben starke Lernrückstände, Verhaltensauffälligkeiten oder erleben Missbrauch zu Hause.“ Er will die zehn zusätzlichen Vollzeitstellen, die ihm aufgrund des „Paktes für den öffentlichen Gesundheitsdienst“ zwischen Bund und Ländern zugestanden wurden, nicht für die Corona-Nachverfolgung nutzen, sondern in der Prävention sowie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Denn: „Der Corona-Ausnahmezustand ist vorbei, jetzt müssen wir die Folgen aufarbeiten.“

In Baden-Württemberg dagegen gilt schon seit Mittwoch die „Corona-Warnstufe“, wie die Badische Zeitung meldet. Sie zieht einschneidende Nachteile für Ungeimpfte nach sich: Diese dürfen sich privat nur noch mit fünf weiteren Personen treffen, müssen für den Zugang zu 3G-Bereichen (Gastronomie, Theater, Kino, Sportveranstaltungen, Friseure, Museen, Sauna u.a.) einen (teuren) negativen PCR-Test nachweisen, ein Schnelltest genügt nicht mehr. Ungeimpft kommt man in Clubs oder Diskotheken gar nicht mehr rein. Ausgenommen davon sind nur Jugendliche bis 17 Jahre und Personen, die nicht geimpft werden können oder für die es keine Impfempfehlung der STIKO gibt. Außerdem gilt in 2G-Bereichen nun wieder eine Maskenpflicht. 

 „Was passiert, wenn die Kliniken volllaufen?“ fragt die WELT und richtet den Blick dabei eher aufs Ausland, wo überall die Zahl der Neuinfektionen steigt – mit oder ohne Maskenpflicht, mit oder ohne Einschränkungen wie 2G oder 3G. Großbritannien z. B. kehrt trotz fast 50.000 täglichen Neuinfektionen nicht zu Maßnahmen zurück, wie die WELT berichtet. Dagegen plant Österreich in einem 5-Stufenplan als ultima ratio gar einen Lockdown für Ungeimpfte, ohne allerdings einen Plan dafür zu haben, wie so etwas umgesetzt werden soll. Auch Angela Merkel prophezeite im Rahmen einer Sitzung des CDU-Bundesvorstands: „Es wird starke Einschränkungen für Ungeimpfte geben“, wie n-tv berichtet. Tests am Arbeitsplatz seien für Ungeimpfte „nicht ausgeschlossen“, auch könnten die Maßnahmen „über das 2G-Modell hinausgehen“.

Dass die Kliniken schon wieder so schnell am Anschlag sind, hat allerdings ganz andere Gründe als Corona. Denn auf den Intensivstationen stehen im Vergleich zu 2020 rund 4.500 Betten weniger zur Verfügung, wie das Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI)  ausweist und wie der WELT-Journalist Tim Röhn auf Twitter anschaulich zeigt. „Die Intensivstationen waren vor der Pandemie schon sehr belastet“, sagt der Präsident der DIVI, Gernot Marx, in einem Interview mit der WELT. „Corona hat die Arbeit in den letzten anderthalb Jahren aber so massiv erschwert, dass viele Pfleger ihre Arbeitszeit reduziert haben, also etwa von 100 auf 80 Prozent gegangen sind. Einige haben den Beruf auch ganz verlassen. Das führt dazu, dass ein Teil der Betten gesperrt werden musste. Da steht dann das Beatmungsgerät mit der ganzen Technik, aber das Pflegepersonal fehlt, um es zu bedienen. (…) Auf den Stationen herrschte eine große Ernüchterung. Wissen Sie, die Menschen lieben diesen Beruf. Sie brennen dafür. Das wirft man nicht so einfach über Nacht weg. Aber wenn man gar nicht mehr kann, dann muss man halt weniger arbeiten.“

Die Gesamtzahl der freien Betten nimmt also nicht etwa ab, weil so viele Covid-19-Patient:innen behandelt werden müssen, sondern weil es an Pflegenden mangelt. Dies umso mehr, als die Krankenhäuser seit Februar 2021 neue Personaluntergrenzen berücksichtigen müssen: Tagsüber dürfen die Pflegenden auf Intensivstationen für maximal zwei, nachts für drei Patient:innen zuständig sein. Lässt sich das nicht gewährleisten, müssen Betten zurückgezogen werden. An dem Pflegenotstand, der seit Jahren bekannt ist, hat sich nie wirklich etwas geändert. Die Belastung ist unangemessen hoch und die Bezahlung entspricht nach wie vor nicht der Verantwortung, in der die Pflegenden stehen (lesen Sie dazu auch ein ausführliches Interview mit zwei Pflegenden aus Berlin in der neuen Ausgabe unseres Magazins, das Sie hier vorbestellen können). Solange sich an diesem Zustand nichts ändert, wird die Lage auch bei einer noch viel höheren Durchimpfungsrate für Covid-19 immer kritisch bleiben.

Und nach wie vor ist die Datenlage in Deutschland äußerst mau. Gerade erst hat eine Recherche des Online-Magazins multipolar ergeben, dass nur jeder zweite als Corona-Patient gemeldete Fall tatsächlich wegen des Verdachts auf Covid-19 im Krankenhaus war. Das Magazin hatte die Abrechnungsdaten der Krankenhäuser mit den Krankenkassen für die Jahre 2019, 2020 und die ersten fünf Monate dieses Jahres analysiert. „Die Abrechnungsdaten fördern noch weitere brisante Erkenntnisse zutage“, schreibt das Magazin. „So stieg im Vergleich zu 2019 die Zahl der intensivmedizinisch behandelten Fälle abseits von akuten Atemwegserkrankungen – insbesondere Schlaganfälle, Krebserkrankungen und Herzinfarkte – nach dem ersten Lockdown ungewöhnlich stark an. Dies deutet auf die Folgen verschobener Behandlungen und verzögerter Vorsorgeuntersuchungen wegen des ersten Lockdowns hin.“

Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch eine Umfrage des ARD-Politikmagazins „Report Mainz“ im SWR bei den jeweils 20 patientenstärksten Kliniken für Lungenkrebs, Diabetes und chronische Schmerzen. Ergebnis: „Die Zahl der schweren Fälle bei Lungenkrebs-, Diabetes- und Schmerzpatienten hat seit Beginn der Corona-Pandemie zugenommen. Der Grund sind ausgefallene Arzt- und Krankenhausbesuche aus Angst der Patienten, sich mit dem Virus anzustecken.“ Die Überlebenschancen der betroffenen Patienten seien dadurch gesunken, bei Diabetes habe die Zahl der Fußwunden deutlich zugenommen, nicht selten wurden Amputationen nötig, die eigentlich hätten vermieden werden können. Es sind Zahlen, die bisher kaum erhoben werden und die auch nicht als „Kollateralschäden“ in die Bilanz der Corona-Politik eingeflossen sind. 

Derweil hört man aus den Koalitionsgesprächen in Sachen Corona nicht viel. „Wo bleibt denn nun die Überprüfung der Corona-Politik?“ fragt deshalb Susanne Gaschke in der WELT nicht ohne Grund. Zwar hat man vollmundig die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ inzwischen zum 25. November für beendet erklärt. Was danach folgt, ist jedoch keine wesentliche Änderung des Status quo. Denn die Maßnahmen bleiben uns erhalten – sie gehen jetzt eben von den Ländern aus. Weshalb sich auch Karl Lauterbach laut n-tv damit anfreunden konnte, allerdings gleichzeitig zum zweifelhaften Propheten wird: „Klar ist, dass die meisten Ungeimpften von heute bis dahin (gemeint ist der 20. März, d. Red.) entweder geimpft, genesen oder leider verstorben sind, denn das Infektionsgeschehen mit schweren Verläufen betrifft vor allem Impfverweigerer.“

 „Der 25. November markiert eine gefährliche Verschiebung“, kommentiert Andreas Rosenfelder, Ressortleiter Feuilleton bei der WELT, diesen Kompromiss zwischen den Ampel-Parteien. Denn „fast alle Corona-Maßnahmen, die auf Grundlage dieses Notstands verhängt wurden und jetzt noch in Kraft sind, sollen trotzdem weiterlaufen können“ – mindestens bis zum 22. März 2022. Damit stehe die Gefahr im Raum, dass „all die Grundrechtseingriffe in Zukunft auch bei jeder Grippewelle greifen könnten“. Denn Corona und Grippe seien, wie RKI-Chef Lothar Wieler und Spahn auf ihrer Pressekonferenz Anfang Oktober betont hätten, „in ihrer Gefährlichkeit längst vergleichbar“. Damit bekäme „ein Gesundheitsstaat, der zum Zweck des Infektionsschutzes jederzeit und überall Grundrechte einschränken kann, eine Rechtsgrundlage“. Mit „jenen Werten, die die FDP als Partei der Freiheit und der Bürgerrechte vertritt“, habe das „nichts mehr zu tun“.

„Nach bald zwei Jahren Covid-19 sitzt uns die Angst im Nacken. Wie bekommen wir sie da wieder weg?“ fragt die Neue Zürcher Zeitung (NZZ): „Die Angst ist ein klebriger Kumpan. Hockt sie einem im Nacken, wird man sie so leicht nicht wieder los. Vernunft hilft da wenig, und sie vermag umso weniger dagegen auszurichten, als die Gefahr zwar unsichtbar bleibt, aber in bald zwei Jahre dauernder Einübung zur hartnäckigen Begleiterin wurde. (…) Gemäß einem im Wissenschaftsmagazin „Lancet“ unlängst veröffentlichten Bericht sollen in den letzten zwölf Monaten Depressionen und Angststörungen weltweit um mehr als 25 Prozent zugenommen haben. Dabei sind Frauen und jüngere Menschen zwischen 20 und 35 Jahren am stärksten betroffen von der Zunahme. Als hauptsächliche Risikofaktoren für eine Erkrankung wurden einerseits die täglich kommunizierten Infektionsraten sowie die Einschränkungen der Mobilität genannt. So hat der Lockdown zwar einerseits Infektionen verhindert und damit auch schwere Verläufe und Todesfälle. Andererseits aber hat er neue Risiken geschaffen und zu psychischen Erkrankungen geführt. Diese Kollateralschäden einer rigorosen Gesundheitspolitik tauchten bisher in keiner Kosten-Nutzen-Rechnung auf. Sie dürften aber auch schwer zu beziffern und kaum aussagekräftig in Relation mit den mutmaßlich abgewendeten Schäden zu setzen sein. Und dennoch muss die Zunahme der depressiven Erkrankungen und Angststörungen zu denken geben. Sie gehen einerseits nicht spurlos an den Betroffenen vorüber. Andererseits sind sie lediglich die manifesten Folgen einer Politik, die auch dort anhaltende Wirkungen hervorbringt, wo sie sich nicht unmittelbar als Krankheitssymptome bemerkbar machen.“

Dabei hat es in Deutschland 2020 durch Covid-19 keine erhöhte Sterberate gegeben, wie eine Studie der Universität Duisburg-Essen ermittelte, die in den Medien jedoch keine Beachtung fand. Die Forscher:innen hatten „die Zahl der Sterbefälle in Deutschland, Spanien und Schweden der Jahre 2016 bis 2020 analysiert. Das Ergebnis: 2020 gab es keine Übersterblichkeit in Deutschland, auch wenn es etwa 34.000 Todesfälle gab, die mit Covid-19 assoziiert werden“, heißt es in einer Pressemitteilung der Universität.

Ein konstruktiver Vorschlag, wie die Zukunft mit Corona zu gestalten sei, kommt von Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik Bonn „Meine acht Punkte zur Überwindung der Corona-Pandemie“ schreibt er in der WELT: 1. Infektionsgeschehen kennen. 2. Daten zentral sammeln. 3. Impflücke schließen. 4. Neue Medikamente konsequent einsetzen. 5. Reform des Gesundheitssystems. 6. Korrekte Kommunikation. 7. Genesenenstatus nachjustieren. 8. Mut und Vernunft. Sein Fazit: „Wir brauchen ein Gremium, das die nächsten Schritte der Pandemieplanung begleitet und die junge, neue Regierung unterstützt. Ein Expertenrat oder Pandemierat, der auf Bundesebene tagt, den haben wir immer noch nicht. Die Kakofonie der verschiedensten Experten- und Nichtexpertenmeinungen hat in der jetzigen Pandemie die Bürger nur verwirrt, Ängste und Misstrauen geschürt.“

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