November … Es wird kalt und nass und grau draußen. Dafür können wir es uns drinnen gemütlich machen – Zeit für wichtige Filme und gute Bücher. Hier ist eine Auswahl von Titeln, die wir Ihnen weiterempfehlen wollen.  

ZUM SEHEN

Ein Bett für die letzten guten Tage
„Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben“ – das ist das Motto, unter dem die englische Krankenschwester und Ärztin Cicely Saunders (1918-2005) die moderne Hospizbewegung und die Palliativmedizin begründet hat. Jetzt haben Caroline Haertel und Mirjana Momirovic für das ZDF und die Reihe „37 Grad“ eine sehr sehenswerte halbstündige Dokumentation über die Palliativmedizin gedreht. Denn der Satz, den Schwerstkranke so häufig hören, „Wir können leider nichts mehr für Sie tun“, den akzeptiert man in der Palliativmedizin nicht. Und das ist gut so. Der Film zeigt augenfällig, wie viel man für Menschen in ihren letzten Lebenstagen tun kann. Gedreht wurde auf der Palliativstation von Philipp von Trott im Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe in Berlin und bei der niedergelassenen Landärztin Sabine Drengenberg und ihrem ambulanten Palliative-Care-Team in Schleswig-Holstein. Ein berührender und gleichzeitig ermutigender Film. 
Die letzten guten Tage: Wie Palliativärzt:innen helfen, ZDF (bis 26. Oktober 2026 in der Mediathek)

Frauen in der Wissenschaft
Wie sehr „MeToo“ auch auf Frauen in der Wissenschaft zutrifft, ist noch ein gut gehütetes Tabu. Frauen werden von Männern auf Exkursionen bedrängt oder gemobbt, im Labor angetascht oder bei Beförderungen einfach übergangen. Nur selten wagen sich Frauen aus der Deckung und stellen den belästigenden Mann zur Rede oder melden die Vorkommnisse den entsprechenden Stellen (die dann meist auch von Männern besetzt sind) – bringen sie damit doch meist ihre akademische Karriere in Gefahr. Ein Film bringt das jetzt am Beispiel einer Biologin, einer Chemikerin und einer Geologin anschaulich zutage – und er zeigt auch, dass es wichtig ist, sich zur Wehr zu setzen. Ein wichtiger Beitrag für mehr Menschlichkeit und Respekt, für mehr Anerkennung und Gleichberechtigung in Wissenschaft und Forschung.
Picture a Scientist. Frauen in der Wissenschaft. Ab 12. November als DVD erhältlich, 18,90 Euro

Wenn Menschen zusammen ein Dorf gründen …
Es war eine bestechend gute Idee: Auf einem weitflächigen, brachliegenden Gelände ein Dorf zu errichten – mitten im Wendland am Rande von Hitzacker, in einem der strukturschwächsten Gebiete Deutschlands. Ein Modelldorf für die Zukunft Europas mit insgesamt 300 Leuten: 100 Alte, 100 Geflüchtete und 100 Junge. Ein Mehrgenerationendorf, ein Multikultidorf, ein Ökodorf. Ein Mammutprojekt. Die Filmemacherinnen Antonia Traulsen und Claire Roggan haben die Gemeinschaft von Anfang an fast vier Jahre lang begleitet. Sie zeigen das Auf und Ab, das sich zwangsläufig einstellt, wenn ein so kunterbunt gemischter Haufen Menschen zusammen ein solches Projekt stemmen will – und dafür auch noch von der Nachbarschaft angefeindet wird. Wie sie es doch noch geschafft haben, ihre Vision Wirklichkeit werden zu lassen, das zeigt dieser Film, der im Rahmen der ARD-Themenwoche „Stadt.Land.Wandel – Wo ist die Zukunft zuhause?“ am 2. November im NDR ausgestrahlt wurde und jetzt in der Mediathek steht. 
Wir alle. Das Dorf. ARD-Mediathek, abrufbar bis 3. Februar 2022

ZUM LESEN

Licht bringen in ein dunkles Kapitel der Medizin
Die Rolle der Medizin in Nazideutschland ist immer noch ein dunkles, weitgehend gemiedenes Kapitel. Jetzt hat Peter Selg, Leiter des Ita Wegman Instituts in Arlesheim, im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an der Universität Witten-Herdecke beim Integrierten Begleitstudium Anthroposophische Medizin (IBAM) ein Buch dazu herausgebracht. Es steht als Band 4 in der Reihe „Ideengeschichte der Medizin und ärztliche Bewusstseinsbildung“. Peter Selg veranstaltet seit 10 Jahren in Auschwitz-Birkenau zusammen mit polnischen Historiker:innen Seminare zur Medizinethik mit den Studierenden, dieses Buch ist das Kondensat davon. Es gliedert sich in drei große Abschnitte: 1. Überleben nach Auschwitz. Primo Levi und die Hoffnung auf Veränderung. 2. Medizin ohne Menschlichkeit. Alexander Mitscherlich und die Kräfte der Beharrung. 3. „Wissende Menschlichkeit“. Gefährdung und Zukunft der Humanmedizin. Ein ungemein wichtiges Buch, das jede:r Ärzt:in und jede:r Medizinstudierende gelesen haben sollte. Es wird das eigene Berufsverständnis nachhaltig beeinflussen.
Peter Selg: Nach Auschwitz. Auseinandersetzungen um die Zukunft der Medizin. Verlag des Ita Wegman Instituts, Arlesheim, 344 Seiten, 23 Euro

Die Folgen des Lockdowns bei Kindern
Es ist ein kleines Buch mit einem großen Inhalt: Der Pastor Bernd Siggelkow, Gründer des 1995 entstandenen christlichen Kinder- und Jugendwerks „Die Arche“ in Berlin-Hellersdorf, schildert darin seine Erlebnisse mit Kindern und Jugendlichen im Lockdown. Es ist ein Büchlein, das gerade durch seine Kürze so eindrucksvoll ist. Es gehört auf den Schreibtisch eines jeden Politikers und einer jeden Politikerin. Als Mahnung für ihre zukünftige Arbeit.
Bernd Siggelkow: Kindheit am Rande der Verzweiflung. Die fatalen Folgen von Lockdown und Isolation. Claudius Verlag, 112 Seiten, 14 Euro

Die Hintergründe von Hochwasser, Hitzewellen und Taifunen
Wir haben es dieses Jahr erlebt: die Flutkatastrophe im Ahrtal, das Hochwasser in Bayern, die Hitzewellen in Südeuropa und im Westen der USA, den Wirbelsturm in Kiel, bei dem ein Taifun über den Hafen fegte. Wettereignisse wie diese häufen sich, und man fragt sich: Wo kommt das eigentlich her? Gab es solche Wetterphänomene nicht schon immer? Oder ist das jetzt der Klimawandel? Die Physikerin Friederike Otto hat eine Methode entwickelt, mit der sie berechnen kann, welche Einflüsse menschengemacht sind und welche nicht. Sie trägt damit dazu bei, dass auch die Verursacher besser dafür haftbar gemacht werden können. Denn wer die Ursachen kennt, kann auch handeln. Nach der Lektüre dieses Buches sieht man das Wetter mit anderen Augen.
Friederike Otto unter Mitarbeit von Benjamin von Brackel: Wütendes Wetter. Auf der Suche nach den Schuldigen für Hitzewellen, Hochwasser und Stürme. Ullstein Buchverlage, 240 Seiten, 18 Euro

Ein Manifest für eine bessere Zukunft
Und noch ein Buch, das sich der Frage widmet, wie wir die Zukunft so gestalten können, dass sie sowohl die menschlichen wie auch die ökologischen Bedürfnisse in einer globalisierten Welt berücksichtigt. Der Biologe und Professor für Naturschutz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde, Pierre Ibisch, und der Politikwissenschaftler und Journalist Jörg Sommer, Vorstandsvorsitzender der 1982 gegründeten Deutschen Umweltstiftung, gehen in diesem Buch den aktuellen Problemen auf den Grund und entwickeln neue Ideen zu ihrer Bewältigung. Die Natur steht dabei stets im Mittelpunkt. Ein mutmachendes Buch, das viele Anregungen gibt, das Leben neu zu denken.
Pierre Ibisch, Jörg Sommer: Das ökohumanistische Manifest. Hirzel Verlag, 173 Seiten, 15 Euro

Zwei Frauen, eine Familie
Es zeugt schon von Mut, die Schicksale zweier so unterschiedlicher Frauen in einem Buch zusammenzufassen – Constanze Neumann ist das hier aufs Feinste gelungen. Sie schildert die Geschichte von Anna Reichenheim und der von ihr nicht akzeptierten Schwiegertochter Marie. Anna entzweit sich mit ihrem ältesten Sohn Heinrich, in den sie große Hoffnungen gesetzt hatte, weil dieser sich lieber im Berliner Nachtleben des frühen 20. Jahrhunderts tummelt und sich den Pflichten und Konventionen einer großbürgerlichen Familie widersetzt. Er heiratet Marie, eine ganz normale junge Frau und übersteht mit ihr den Ersten Weltkrieg ebenso wie Weltwirtschaftskrise, bis schließlich der Nationalsozialismus ihnen noch einmal ganz andere Opfer abfordert. Constanze Neumann hat ein wunderbares Buch über unsere Mütter und Großmütter geschrieben, über eine Generation, die ein Jahrhundert geprägt hat und umgekehrt.
Constanze Neumann: Wellenflug. Ullstein Verlag, 336 Seiten, 22 Euro

Die Pionierin des modernen Tanzes
Isadora Duncan (1877-1927) war eine der Frauen, die dem modernen Tanz zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Weg geebnet haben. Sie brach radikal mit den Traditionen des Tutus und des Spitzentanzes. Sie tanzte barfuß und in locker fließenden Seidengewändern, die einer griechischen Tunika nachempfunden waren, während um sie herum die Damen noch in Korsetts geschnürt wurden. Sie pfiff auf bürgerliche Konventionen und zog tanzend durch die Salons der Welt. Sie war die Erste, die nicht ausdrücklich fürs Ballett komponierte Musik für ihre Darbietungen einsetzte – Schubert, Chopin, Skrjabin. Aber das Leben meinte es auch nicht immer gut mit ihr: Sie verlor ihre beiden leiblichen Kindern durch einen Autounfall in Paris – sie ertranken in der Seine. Und sie selbst kam bei einer Autofahrt im Cabrio um, weil sich ihr langer Seidenschal in den Speichen der Räder verfing und sie strangulierte. Jetzt hat Michaela Karl dieser außergewöhnlichen Frau mit ihrer Biographie ein würdiges Denkmal gesetzt.
Michaela Karl: Lasst uns tanzen und Champagner trinken trotz alledem! Isadora Duncan. Eine Biografie. btb Verlag, 448 Seiten, 24 Euro

Ein Familienroman
Wenn Ellen Sandberg ein neues Buch herausbringt, ist das fast schon die Garantie für einen Platz auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. So auch bei ihrem jüngsten Werk, das es auch Anhieb dorthin geschafft hat. Ihre Spezialität ist die Schilderung von Frauen- und Familienschicksalen. Und das macht sie so spannend, so glaubwürdig, so realitätsnah, dass es einen einfach kaum noch loslässt. Sie spielt dabei mit Gegenwart und Vergangenheit, vor allem aber mit den Fragen nach Schuld und Vergebung, die alle Nachkriegsgenerationen mit sich herumtragen. Denn: „Die Zeit heilt alle Wunden. Doch das Gewissen heilt sie nicht.“ – so steht es auf der Rückseite des Buchumschlags. Und damit ist eigentlich alles umrissen, worum es in diesem Buch geht. Und was uns, die wir die „Gnade der späten Geburt“ haben, wie Helmut Kohl es mal genannt hat, bis heute nicht loslässt.
Ellen Sandberg. Das Geheimnis. Penguin Verlag, 432 Seiten, 20 Euro

Mediterranes auf den Tisch
Und wenn es draußen schon so unwirtlich wird, holt man sich den Sommer, das Licht, die Aromen und die Farben eben auf den Tisch! Kaum etwas eignet sich dafür besser als dieses Buch von Claudia Roden, der Grande Dame der mediterranen Küche.  Es ist weit mehr als nur ein Kochbuch, es ist das Buch einer Lebensphilosophie – ebenso einfach wie überzeugend. Es ist auch die Essenz einer lebenslangen Leidenschaft für gutes Essen und Tischkultur, die ja immer auch eine zwischenmenschliche Begegnung ist. Die beste Zeit, sich dessen anzunehmen, ist jetzt!
Claudia Roden: Mittelmeerküche. Ein Kochbuch. DK Verlag, 320 Seiten, über 250 Fotos (nicht nur von den Gerichten), 29,95 Euro
Der Verlag hat mit Claudia Roden ein wunderschönes Video gedreht, das diese außergewöhnliche Frau und ihr Buch noch etwas näherbringt. Es ist auf der Verlagsseite und bei YouTube eingestellt.

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