Was macht die Digitalisierung mit unseren Kindern? Was mit uns Erwachsenen? Diese Fragen sind ungeklärt, auch wenn viele es eilig damit haben, Kindergärten und Primarschulen mit digitalen Geräten auszustatten. „Das digitale Ökosystem gesund gestalten“, unter diesem Motto waren die Teilnehmer der zweiten ELIANT-Konferenz Ende November 2017 in Brüssel zusammengekommen. VertreterInnen der Europäischen Kommission, NeurowissenschaftlerInnen, PädagogInnen und ÄrztInnen aus ganz Europa waren der Einladung von Dr. Michaela Glöckler, ehemaliger Leiterin der Medizinischen Sektion am Goetheanum, gefolgt. Sie hatte aufgerufen, für eine Bestandsaufnahme inne zu halten.

Im Frühjahr 2017 hatte ELIANT bereits eine Petition der Deutschen Waldorfkindergarten-Vereinigung unterstützt, die sich vehement gegen die Einführung von digitalen Medien im Kindergarten einsetzte. Thomas Fuchs, Psychiater und Neurowissenschaftler aus Heidelberg, stellte ausführlich dar, wie notwendig motorische Aktivität für das kindliche Lernen ist: „Ein Gegenstand“, so Fuchs, „kann zwar gesehen werden am Bildschirm, aber seine Eigenschaften wie Gewicht oder Oberflächenbeschaffenheit können nicht wirklich erfasst werden. Kindern, die heute einen wesentlichen Teil ihrer Zeit am Bildschirm verbringen, fehlt einfach ein Stück Welterfahrung.“ Überdies sei die schnelle Abfolge unterschiedlichster Bilder und Vorgänge mit einer Art kontinuierlicher Störung gleichzusetzen: Kaum ein Gedanke werde zu Ende geführt, kaum ein längerer Zusammenhang könne ganzheitlich erfasst werden.

Die anwesende Leiterin der Generaldirektion für Bildung und Kultur bei der Europäischen Kommission, Martine Reicherts, schien nicht so recht überzeugt. Sie sagte voraus, dass die digitale Welle erst anrolle und zweifelte daran, ob es Sinn mache, gegen eine Flut zu kämpfen, die uns inzwischen ohnehin eingeholt habe. Ob die eindringlichen Warnungen der anwesenden ExpertInnen am Ende doch einen Eindruck bei ihr hinterlassen haben? Immerhin schien sie beeindruckt von der konsequenten Haltung der ExpertInnen, die ELIANT in Brüssel zum Ausdruck brachte.

Ermutigend waren die Beiträge in so manchem Workshop und die vielen Beispiele aus pädagogischen Settings. Zum Beispiel gelingt es in Waldorfeinrichtungen auch heute immer wieder von Neuem, Kindern eine lebendige und ansprechende analoge Umgebung anzubieten. So manche Frage blieb jedoch offen: Wie, so fragten die TeilnehmerInnen, könne man die „digitalisierten“ Eltern von heute in die ganzheitlichen Konzepte der Schulen und Kindergärten einbeziehen?

Einige Stimmen plädierten für eine Karenz digitaler Medien im Kindergarten und in den ersten Schuljahren. Edwin Hübner, Digitalexperte an der Freien Hochschule Stuttgart, wies eindrücklich darauf hin, dass es vor allem auch darum gehe, einen adäquaten und entwicklungsorientierten Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln. Am Ende der Veranstaltung hatten SchülerInnen von zwei niederländischen Waldorfschulen die Gelegenheit, die Perspektive ihrer Generation einzubringen. Sie forderten ein, Medien offensiv in den Unterricht einzubeziehen, aber – vor allem – einen angemessenen Umgang mit ihnen zu lernen.

Mehr erfahren?
Wissenschaftliche Hinweise und Arbeitsmaterialien in Deutsch und Englisch für die Konferenz finden Sie hier.

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