Mitte August 2017 hat eine Expertengruppe („Münsteraner Kreis“) in einem Memorandum radikale Vorschläge vorgelegt, um das Heilpraktikerwesen zu reformieren. Demnach sollte der Beruf entweder abgeschafft oder von der Einführung spezialisierter "Fach-Heilpraktiker“ als Zusatzqualifikation für bestehende Gesundheitsfachberufe abgelöst werden. Der Appell der Experten richtet sich gegen die ihrer Einschätzung nach "unangemessene Ausbildung und die meist unhaltbaren Krankheitskonzepte" der Heilpraktiker.

Auch die Komplementärmedizin wird in die Kritik einbezogen und als „in den meisten Fällen wissenschaftlich unhaltbar“ und sogar als „Gefährdung von Patienten“ dargestellt. Dementsprechend fordern die Experten, dass alternativ- und komplementärmedizinische Ansätze überhaupt keinen Platz in der medizinischen Regelversorgung haben sollen – sogar, wenn diese Verfahren lediglich ergänzend eingesetzt werden.

Ärzte mahnen moderates Vorgehen an
Soweit die übliche Tonlage. Die Verfasser des Memorandums gehören denn auch zum harten Kern der bekannten Homöopathie-Kritiker. Interessant ist, dass die Vorschläge sowohl von der Ärzte Zeitung als auch im Deutschen Ärzteblatt lebhaft diskutiert und keineswegs unkritisch aufgenommen wurden. In den Kommentaren mahnten viele Ärztinnen und Ärzte ein moderateres Vorgehen an: „Schwarze Schafe gibt es überall, deswegen einen ganzen Berufszweig abzuschaffen, ist nicht der richtige Weg.“ Viele Ärztinnen und Ärzte berichteten auch von der oft guten Zusammenarbeit mit Heilpraktikern.

Für GESUNDHEIT AKTIV kommentiert Geschäftsführer Stefan Schmidt-Troschke: „Das Heilpraktikergesetz muss dringend reformiert werden. Das ist nichts Neues. Bisher hat sich niemand getraut. Es braucht einheitliche Ausbildungsstandards und verbindliche Regeln für die Qualitätssicherung. Ansätze dazu sind in der Vergangenheit immer wieder an der Bildungshoheit der Bundesländer gescheitert. Trotzdem zeigt das Memorandum ganz deutlich, dass der Kreis die sachlich berechtigte Frage, wie der Beruf des Heilpraktikers reformiert werden kann, strategisch nutzt, um neben den Heilpraktikern auch die Komplementärmedizin als Ganzes anzugreifen. Mit vielen Verallgemeinerungen wird eine Front aufgebaut zwischen der sogenannten 'wissenschaftlichen Medizin' und einer pseudowissenschaftlichen Heilkunde. Diese Sichtweise entspricht nicht der Realität: Zehntausende seriöser Publikationen in den letzten 20 Jahren legen Zeugnis davon ab, dass wir es nicht mehr mit zwei Welten zu tun haben, sondern mit dem Ringen um eine integrative Medizin, in der es verschiedene Zugänge gibt und die gleichwohl wissenschaftlich evaluiert wird. Schaut man sich das Memorandum näher an, dann fällt auf: es ist voller Behauptungen gegenüber dem Berufsstand der Heilpraktiker aber auch gegenüber der Komplementärmedizin, die ohne Beleg bleiben: Sind Heilpraktiker wirklich so gefährlich, wie suggeriert wird? Seriöse Untersuchungen dazu jedenfalls werden nicht präsentiert. Der selbst gesetzte Anspruch 'Wissenschaftlichkeit' wird hier im Hinblick auf die eigenen Schlussfolgerungen gar nicht erst beachtet. Man hat den Eindruck: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf…“

Weitere Informationen:
„Heilpraktiker weg? So hitzig diskutieren unsere Online-Leser“, Ärzte Zeitung, 23. August 2017

 

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