„Wenn betriebswirtschaftliche Ziele in den Mittelpunkt rücken, steht die ärztliche Unabhängigkeit auf dem Spiel – und mit ihr die Sicherheit und das Wohl der Patientinnen und Patienten.“ Soweit der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. Klaus Reinhardt, anlässlich der Vorstellung der „Thesen zur Ökonomisierung der ärztlichen Berufstätigkeit“ der BÄK. In diesem Papier geht die Ärztekammer mit der Durchökonomisierung im Gesundheitswesen hart ins Gericht. Es sei zwar selbstverständlich, dass in einer als Solidargemeinschaft angelegten Krankenversicherung die Pflicht zu sparsamem Handeln bestehe, wenn aber die betriebswirtschaftlichen Kriterien ein Übergewicht erhielten, werde der finanzielle Erfolg sukzessive zu einem neuen Ziel in der Medizin. So würden beispielsweise durch das Fallpauschalen-System (DRGs) falsche Anreize zur Fallzahlensteigerung (und damit zum Beispiel für zu frühe Entlassungen) gesetzt und Aktionismus belohnt. Es muss also etwas am Patienten verrichtet werden, auch wenn manchmal Nichthandeln im ärztlichen Sinne vernünftiger wäre.

Die BÄK fordert daher die Krankenhausfinanzierung umfassend zu reformieren. „Das Fallpauschalensystem ist gescheitert. Es führt zu einer grundlegenden Fehlsteuerung, weil es Krankenhäuser dazu motiviert, sich nach industriellen Gesichtspunkten zu organisieren. Wichtige Aspekte der ärztlichen Tätigkeit werden hingegen nicht honoriert, beispielsweise die Fürsorge für den Patienten,“ so Klaus Reinhardt. Im obengenannten Thesenpapier finden sich eine Reihe von Vorschlägen, wie eine solche Reform aussehen könnte: Es schlägt ein Finanzierungssystem vor, dass Ärzt:innen darin fördert, ihren Patient:innen wieder gerecht zu werden, ein System, das die Zuwendung zum Patienten in den Mittelpunkt stellt. Zudem fordert die Kammer, den tatsächlichen Personalbedarf in den Kliniken einmal realistisch zu messen. Denn,  „Krankenhäuser und ambulante Praxen sind Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und müssen so betrieben werden, dass ihre Orientierung am Patientenwohl erkennbar wird und erhalten bleibt“, mahnt die Bundesärztekammer.

GESUNDHEIT AKTIV meint:

Man könnte jubeln darüber, dass die Ärztekammer endlich Klartext redet, wenn es um die Bedrohung der Medizin durch eine einseitige Ökonomisierung geht. Vielfach aber sind es gerade Ärztinnen und Ärzte, die erst die Voraussetzungen geschaffen haben dafür, dass sich die Ökonomie der Medizin bemächtigen konnte:

  1. Sie haben den Menschen in ein Zahlenwerk verwandelt, in dem sie selber dazu neigen eher Blutdruck- oder Blutzzuckerwerte zu behandeln und weniger den Menschen selber. Alles, was die Medizin in Zahlen übersetzt, lässt sich am Ende mit Preisschildern versehen und passt umso besser in die Logik der Ökonomie.
  2. Ärztinnen und Ärzte haben eine Tendenz, solche Leistungen höher zu bewerten, die von Maschinen erbracht werden, wie z.B. Laboruntersuchungen oder eine Magnetresonanztomographie. Ärzt:innen, die dies beherrschen sehen kaum noch selber Patient:innen, und stehen am oberen Ende der Verdienstskala. Demgegenüber verdienen Ärzt:innen dann am wenigsten, wenn sie Gespräche mit Patient:innen führen. Es liegt an den Ärzt:innen selber, die Prioriäten anders zu setzen, denn sie könnten innerhalb ihrer Kassenärztlichen Vereinigungen durchaus selbständig Veränderungen initiieren.

Die Ökonomisierungslogik ist so längst Teil der Medizin selber geworden. Wirkliche Veränderungen werden daher nur gelingen, wenn die die blinden Flecken der Selbstwahrnehmung auch unter Ärztinnen und Ärzten wahrgenommen werden. Ein langer Weg…

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