September 2023: Das National Institute for Health and Care Research (NIHR) stellt in einer Veröffentlichung vom 28.07.2023 zehn KI-gestützte Technologien vor, die in der Medizin Anwendung finden könnten und sowohl zur Optimierung von Diagnostik und Behandlungsverlauf als auch der Lebensqualität von Patient:innen sowie der Einsparung von Kosten und Ressourcen beitragen können.

Grundsätzliches zu KI-Technologien

Bei den meisten KI-Systemen untersuchen Computeralgorithmen große Datenmengen, sie finden gemeinsame Muster, lernen aus den Daten und verbessern sich so mit der Zeit. Es gibt heute zwei Haupttypen von KI:

Generative KI (einschließlich Chat-GPT) - erstellt neue Inhalte (Texte, Bilder, Musik usw.) auf der Grundlage erlernter Muster

Prädiktive KI - kann auf Grundlage großer Mengen historischer Daten genaue Vorhersagen und Schätzungen über künftige Ereignisse machen

Die meisten Anwendungen im Gesundheitswesen sind prädiktive KI-Systeme, die auf sorgfältig ausgewählten Daten aus Krankenhäusern und Forschungsstudien basieren. Sie könnten zu schnelleren und genaueren Diagnosen führen, die Entwicklung von Krankheiten vorhersagen, Ärzt:innen bei Behandlungsentscheidungen unterstützen und helfen, die Nachfrage nach Krankenhausbetten zu steuern. Allerdings gibt es auch Bedenken zur Datensicherheit sowie vermutete Verzerrungen bei der Entscheidungsfindung.

Dennoch soll das enorme Potential, das KI-Technologien in sich bergen, anhand nachfolgender Beispiele aus der NIHR-Forschung verdeutlicht werden. Alle hier im folgenden aufgeführten Forschungsarbeiten wurden in den letzten 3 Jahren veröffentlicht.

Erkennen von Herzkrankheiten

Dazu wurde ein KI-unterstütztes, einfach zu bedienendes "intelligentes" Stethoskop erforscht. Hausärzte könnten es zur Erkennung von Herzinsuffizienz einsetzen, anstatt die Patient:innen an die Sekundärversorgung zu überweisen. Nick Mills von der British Heart Foundation: "Es gibt derzeit keine Heilung für Herzinsuffizienz, daher ist eine schnelle Erkennung und Behandlung entscheidend. Dieses KI-Tool könnte Menschen zu einer früheren Diagnose verhelfen und ihnen Zugang zu lebensrettenden Behandlungen verschaffen.“

Eine andere Studie ergab, dass KI erkennen kann, ob Menschen, die mit einem möglichen Herzinfarkt in die Notaufnahme kommen, tatsächlich einen erlitten haben. Bei etwa 10% ist dies statistisch der Fall. In einer Studie mit 20.000 Personen schnitt die Vorhersage der KI besser ab als Standardmethoden und könnte zukünftig als klinisches Entscheidungshilfeinstrument eingesetzt werden. Mit ihrer Hilfe könnten akute Notfälle frühzeitig erkannt, aber auch die Zeit, die Menschen in der Notaufnahme verbringen, verkürzt sowie unnötige Krankenhauseinweisungen vermieden werden.

Diagnostik bei Krebspatient:innen

Lungenkrebs gilt als eine der häufigsten Krebstodesursachen. KI-Technologie kann dabei helfen, festzustellen, ob Lungenknötchen (abnorme Wucherungen), die auf einem CT-Scan zu sehen sind, krebsartig sind oder nicht. Dazu wurden zwei Arten von KI erforscht, die beide genauere Voraussagen treffen konnten, als der derzeit empfohlene Standard-Brock-Score (er kombiniert Patienteninformationen und Knotenmerkmale, um vorherzusagen, welche Knoten wahrscheinlich krebsartig sind). Vorteil: Diese KI-Technolgoie könnte helfen, wiederholte (Überwachungs-)CT-Scans zu vermeiden und somit Kapazitäten und Kosten sparen.


Vorhersage des Fortschritts von Krankheiten

Feuchte altersbedingte Makuladegeneration (AMD) ist eine der häufigsten Ursachen für Sehkraftverlust. Laut Statistik wird etwa eine von vier Personen mit feuchter AMD auch am zweiten Auge erkranken. Eine Studie an 2.500 Patient:innen mit AMD ergab, dass ein KI-Modell genauer war als Ärzt:innen und Optiker:innen, die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung des zweiten Auges vorherzusagen. Ein wichtiger Aspekt: das  frühzeitige Eingreifen bei feuchter AMD kann den Sehkraftverlust minimieren, was die Lebensqualität  der Patient:innen deutlich beeinflusst. Auch handelte es sich bei dieser Forschungsarbeit um den ersten Einsatz von KI zur Risikostratifizierung (Gruppierung von Patient:innen nach ihrem Risiko, eine Krankheit zu entwickeln). Eine Risikostratifizierung hilft Krankenhäusern, ihre Ressourcen auf die Patient:innen zu konzentrieren, die sie am dringendsten benötigen.

Auch bei Darmerkrankungen könnten KI-Technologien zum Einsatz kommen. So entwickelten Forscher ein KI-Tool, das Schübe vorhersagen und die Krankheitsaktivität bei Menschen mit Colitis ulcerosa erkennen kann. Die dazugehörige Studie basierte auf fast 700 digitalisierten Biopsien von 331 Patienten. Dazu Sarah Sleet, Geschäftsführerin von Crohn's & Colitis: "KI bietet viele spannende Möglichkeiten für die Analyse von Bildern und Daten, um sowohl die Behandlung als auch die Diagnose von Langzeiterkrankungen zu verbessern. Sie ist ein leistungsfähiges Instrument mit dem Potenzial, Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen zu helfen, wie zum Beispiel Colitis Ulcerosa".

Personalisierung von Krebs- und chirurgischen Behandlungen

Dazu wurde eine Studie bei Lungenkrebspatient:innen durchgeführt. Die neue Technologie arbeitet in zwei Stufen. Zunächst wird vorhergesagt, wie empfindlich die Tumorzellen auf einzelne Krebsmedikamente reagieren und anschließend, wie sie auf Kombinationen von Medikamenten ansprechen werden. Die künstliche Intelligenz sagte das individuelle Ansprechen auf ein Medikament genauer voraus, als es derzeit anhand dieser genetischen Merkmale möglich ist. Zudem wurden neue Arzneimittelkombinationen ermittelt, die wirksam sein könnten. Den Forscher:innen zufolge könnte sie als Grundlage für klinische Entscheidungen dienen und es Ärzt:innen ermöglichen, die Behandlung innerhalb von zwei Tagen nach einer Tumorbiopsie zu personalisieren.

Entlastung von Notaufnahmen

KI könnte den Sanitäter:innen helfen, vorherzusagen, wer nicht in die Notaufnahme muss. Die Forscher:innen verwendeten mehr als 100.000 verknüpfte Krankenwagen- und Pflegeaufzeichnungen, um ein KI-Computermodell zu entwickeln. In 8 von 10 Fällen konnte es korrekt vorhersagen, welche Menschen nicht in die Notaufnahme mussten. Darüberhinaus könnte die KI den Planer:innen helfen, die Bettenkapazität zu steuern. Anhand von Echtzeitdaten in der Notaufnahme sagte das Tool voraus, wie viele Krankenhausbetten in 4 und 8 Stunden benötigt würden. Die Schätzungen übertrafen die übliche Planung des Krankenhauses für Notfallaufnahmen, die auf der Anzahl der in den letzten sechs Wochen benötigten Betten basierte.

Vertrauensvolle Technologie?

Die hier vorgestellten Beispiele sind ein kleiner aktueller Ausschnitt aus der Forschung, die sich mit wichtigen gesundheitlichen Herausforderungen befasst. Alle hier erwähnten KI-Technologien benötigen allerdings noch weitere Forschung bzw. würden davon profitieren. Denn nur wenn sowohl die Bevölkerung als auch das medizinische Personal wirkliches Vertrauen in diese technologiegestützten Anwendungen entwickeln, werden sie sich vernünftig und sinnvoll in die medizinische Gesundheitsversorgung integrieren lassen.

Quelle: https://evidence.nihr.ac.uk/collection/artificial-intelligence-10-promising-interventions-for-healthcare/

 


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