Dezember 2023: Über 80 Prozent der Bevölkerung in Deutschland wünschen sich eine Integrative Medizin, die naturnahe und ganzheitlich orientierte Verfahren berücksichtigt. Das hat Gründe: So lehnen viele Menschen eine vorschnelle Behandlung mit stark wirksamen Medikamenten ab und bevorzugen eine naturnahe Behandlung, die ihre Eigenregulation fördert. Wie wäre es, wenn die Präferenzen der Bürgerinnen mehr Berücksichtigung fänden in der Versorgung?

Die Gesundheitsversorgung in Deutschland sollte patientenorientiert und von hoher Qualität sein. Wer würde dem nicht zustimmen? Doch was bedeutet das genau? Welche Voraussetzungen sollten erfüllt sein? Und wie kann man den Erfolg messen? Internationale Erfahrungen zeigen: Erfassen und kommunizieren Patient:innen ihre Erfahrungen mit einer Therapie systematisch, z.B. mittels einer App, die die Ergebnisse direkt an den behandelnden Arzt übermittelt, verbessern sich ihre Behandlungsergebnisse: Sie benötigen weniger Therapien und Genesungsprozesse verlaufen unkomplizierter. Sogar der Blutdruck von Herzpatient:innen ist auf diese Weise beeinflussbar.

Fest steht: Patientenzentrierung muss mehr sein als ein Schlagwort. Denn eine konsequente und systematische Einbindung der Patientenperspektive in die Gesundheitsversorgung sollte zu nachweisbar besseren Behandlungsergebnissen führen. Ein Weg zu einer solchen Einbindung sind sogenannte Patient Reported Outcome Measures, kurz PROMs.

PROMs dienen dazu, den von Patient:innen wahrgenommenen Gesundheitszustand mess- und vergleichbar zu machen. Denn bis vor kurzem wurden die Menschen nicht systematisch danach befragt, wie sie die Ergebnisse einer Behandlung bzw. die eigene Lebensqualität vor, während und nach einer Therapie selbst erleben. 

Durch die systematische Integration der Patientenperspektive in Form von PROMs können zunächst rein subjektive Bewertungen gebündelt und in die Bewertung und Weiterentwicklung von Therapien integriert werden. PROMs können also neben der Erhebung von klinischen Daten und Sozialdaten ein aussagekräftiges Bild der Versorgungsqualität liefern.

Die Bertelsmann Stiftung hatte am 23.11. 2023 zu einer Veranstaltung eingeladen, auf der hochrangige Expert:innen über den Stand der Implementierung von PROMs berichtet, das Themenfeld durchleuchtet und Erfordernisse für die Zukunft formuliert haben. Denn im internationalen Vergleich hinkt Deutschland der Entwicklung seit längerem hinterher.

Aber ist es mit der Implementierung von Apps getan, um solch eine positive Entwicklung zu ermöglichen? Keinesfalls, macht Frederico Guanais, stellvertretender Abteilungsleiter der Abteilung für Gesundheit der OECD klar, und nennt fünf Faktoren, die gewährleistet sein müssen: Patient:innen bräuchten eine Stimme, das heißt eine Rolle in Entscheidungsprozessen im Gesundheitswesen. Sie müssten zudem die Wahl zwischen verschiedenen Dienstleistern und ggf. Behandlungsmethoden bekommen. Drittens brauche es Mitwirkung in Form von zugänglichen Gesundheitsinformationen und Miteinbeziehung der Patient:innen. Ferner müssten Gesundheitsdaten und Fallentscheidungen über Sektorengrenzen hinweg integriert werden und nicht zuletzt brauche es Respekt für die Patient:innen, ihre Fragen, Sorgen und Bedürfnisse.

Dass es mit diesen Faktoren während der Coronapandemie nicht zum Besten stand und ohnehin schon unbefriedigende Konstellationen sich nochmals verschlechterten, leuchtet unmittelbar ein – und zeigt den Nachholbedarf, den viele Länder, unter anderem auch Deutschland, in der Umsetzung wirklicher Patientenzentrierung haben.

Denn neben strukturellen Defiziten, gleicht auch die Implementierung von PROMs in Deutschland eher einem Flickenteppich als einer systematischen, standardisierten Verankerung. Es brauche eine ordnungspolitische Strategie, fordert Reinhard Busse, Professor für Management im Gesundheitswesen an der TU Berlin. Die Anwendungsquote von PROMs läge im Verhältnis zu den etwas 100 Millionen Ärzt:innen – Patient:innen Kontakten pro Monat im sub-Promillebereich.

Auch im Krankenhausbereich tun sich mit PROMs und PREMs (Patient reported experience measures) neue Möglichkeiten auf. Neben der Verbesserung von Therapien können sie dort als Steuerungsinstrument genutzt werden: intern als Qualitätsspiegel und extern z.B. als Grundlage für wertebasierte Vergütungsabkommen mit Krankenversicherern. Möglicherweise könnten sie sogar einen Weg aus dem immer wieder kritisierten Fallpauschalensystem weisen.

Für die Zukunft bedeutet das: Die bisher vor allem in Expert:innenkreisen geführte Diskussion muss künftig einen Weg in den Versorgungsalltag finden. GESUNDHEIT AKTIV wird diesen Prozess begleiten, damit Patientenzentrierung tatsächlich mehr sein kann als ein Wort – oder eine App: Bürger:innen und Patienten würden die Möglichkeit bekommen, Methoden zu wählen, die zu ihnen passen, Ärztinnen und Ärzte könnten die Erfahrungen ihrer unmittelbaren Patientinnen und Patienten besser einbeziehen. So könnte am Ende eine Integrative Medizin wie selbstverständlich praktiziert und nebenbei manche ideologische Hürde überwunden werden.

https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/patient-reported-outcome-measures-proms-ein-internationaler-vergleich

https://background.tagesspiegel.de/gesundheit/schweizer-taschenmesser-oder-unzusammenhaengende-frickelei


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