Unser Gesundheitssystem und vor allem die Intensivmedizin ist in erster Linie darauf ausgelegt, Menschen zu retten. Aber wie sieht es mit der Aufklärung schwerstkranker Menschen zu Behandlungsalternativen aus? Beziehungsweise, wie sieht eine sinnvolle Begleitung am Lebensende aus? Denn immer noch leiden viel zu viele Patient:innen unnötig in dieser Lebensphase. So erhalten beispielsweise rund zehn Prozent der Krebskranken in Deutschland in den letzten 30 Tagen vor ihrem Tod noch eine Chemotherapie, die oftmals mehr schadet als nutzt. Hier könnte oft die Palliativmedizin deutlich zu einer Verbesserung für die Patient:innen beitragen. Durch das Fallpauschalensystem sind allerdings die Anreize meist falsch gesetzt: Da Krankenhäuser zugleich Wirtschaftsbetriebe sind, steht die palliative Versorgung der Kranken in Konkurrenz zu teuren Therapien und Apparate-Diagnostik, die höhere Umsätze generieren. Auch die sprechende Medizin ist nach wie vor schlecht vergütet: Interventionen werden belohnt, nicht das Patientengespräch. Das wiederum wäre aber dringend notwendig, um den Wunsch der Patient:innen zu ermitteln. Denn meist wünschen sich Menschen eine intensive, nahe Begleitung am Lebendsende und vor allem die Vermeidung unsinniger Behandlungen. Gerade der Faktor Zeit, der im Vergütungssystem der Krankenhäuser nur knapp zur Verfügung steht, ist hier also wichtig, um ein sinnvolles Gleichgewicht zwischen dem noch therapeutisch Machbaren, dem wirtschaftlich Sinnvollen und vor allem dem Patientenwillen herzustellen. Und nicht nur für die betroffenen Patient:innen sind unnötige Maßnahmen ein Problem, die Beanspruchung von Ressourcen, die dann an anderer Stelle fehlen, belasten uns alle – nach Einschätzung der Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit in Europa (OECD) wird etwa ein Fünftel der Gesundheitsausgaben in den Mitgliedsländern für Leistungen verwendet, die keinen oder nur einen sehr kleinen Effekt zu besserer Gesundheit beitragen.

Quelle: Katholische Nachrichtenagentur, 27.04.2022

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