Auf einer spannenden Tagung des Bundesverbandes Managed Care wurde die interessante Frage bewegt, wie wir zu einem System kommen, das Patienten gerecht werden kann. Value Based Care (zu deutsch am besten: Wertorientierte Versorgung) soll der Anspruch für ein modernes und zeitgemäßes Gesundheitswesen sein und das wurde an verschiedenen Beispielen diskutiert. Aber was ist das eigentlich, eine Wertorientierte Gesundheitsversorgung? In den 90er Jahren begründet durch den US-amerikanischen Gesundheitsökonomen Michael Porter, scheint das Konzept zunehmend Gehör zu finden, auch wenn wir noch wenig davon spüren. In Teilen Belgiens, aber auch in Baden-Württemberg ist man regional dabei, sich daran zu orientieren:
- angemessene Versorgung, um die persönlichen Ziele JEDES Patienten zu erreichen (persönlicher Wert),
- Erzielung bestmöglicher Ergebnisse mit verfügbaren Ressourcen (technischer Wert),
- gerechte Verteilung der Ressourcen auf alle Patientengruppen (allokativer Wert)
- Beitrag der Gesundheitsversorgung zu gesellschaftlicher Teilhabe und Verbundenheit (gesellschaftlicher Wert)
Interessant ist dieser Ansatz, als dass es weniger darum geht, Probleme zu lösen, als Ziele zu erreichen, die sich konkret auf die Lebenswirklichkeit von Patientinnen und Patienten auswirken. Ärztinnen und Ärzte glauben nicht selten, dass sie ja genau dies tun. Sie glauben daran, dass sie diejenigen sind, die Patient:innen an den wissenschaftlich für optimal gehaltenen Leitlinien auszurichten haben, in ihren Maßnahmen, in ihren Verordnungen und in ihren Verhaltensempfehlungen. Sie halten sich dabei für die Richter darüber, was für den Patienten jeweils richtig ist und treten entsprechend auf. Ihr Erfolg wird in der Regel sichtbar daran, ob sie die Probleme korrekt identifiziert haben und ob sie ihre Standards eingehalten haben.
Aus Patientensicht aber sieht das ganz anders aus. Für sie geht es oft weniger darum, optimale Werte eines Laborparameters zu erreichen, als darum, ob sie mobil bleiben können, ob sie sich um ihre eigenen Belange kümmern können und autonom bleiben, ob und wie sie aus der Einsamkeit erlöst werden können, die ihrerseits zu Rückzug und Depression geführt hat. Die moderne Medizin, allerdings ist an Maßnahmen orientiert. Ganze Gesundheitssysteme sind auf Maßnahmen ausgerichtet und weniger darauf, was im Ergebnis einen wirklichen Mehrwert für Patient:innen erzeugt. Wie wäre es also, die persönlichen Ziele von Bürgerinnen und Patient:innen wirklich ernst zu nehmen? Das würde bedeuten, dass wir uns zunächst einmal dafür interessieren. Diese Frage aber wird in der Regel erst gar nicht gestellt. Stattdessen wird angenommen, dass es jede(m)r Patient:in darum gehen müsste, einen jeweils optimalen Gesundheitszustand zu erreichen. Wenn verstanden würde, dass viele Menschen ganz andere konkrete Ziele haben, wäre schon viel gewonnen. Vielen Patient:innen würde es besser gehen, wenn sie beispielsweise nicht mit Scheinversprechen am Ende des Lebens für eine Chemotherapie geködert würden, deren Erfolg sich lediglich an der Verbesserung von Parametern festmacht, die am Ende keine Bedeutung für die Patient:innen haben. Manches würde wegfallen und könnte eingesetzt werden für mehr aktive Selbsthilfe und für eine sinnorientierte Medizin…
DOCH LIEBER ÜBERWEISEN? |