Newsletter Juni 2021 - Dass die Gesellschaft anderer Menschen im Alltag für die psychische und körperliche Gesundheit wichtig und förderlich ist, mag eine Binsenweisheit sein – in Zeiten der Corona-Krise wurde es uns allerdings erst so richtig bewusst.
Ein Forscherteam des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) hatte noch vor Einsetzen der Krise eine Studie abgeschlossen, in der sie genauer erforschten, wie die psychische Gesundheit mit zwischenmenschlichem Austausch und sozialem Kontakt im alltäglichen Leben zusammenhängt und welche Hirnareale dabei eine Rolle spielen. Sie konnten nachweisen, dass sich Menschen in ihrem Alltag wohler fühlen, wenn sie mit anderen zusammen sind, als wenn sie allein bleiben. Besonders deutlich zeigte sich dieser Zusammenhang bei denjenigen, die eine hohe soziale Kompetenz aufweisen, das heißt, sie können sich in Stress-Situationen Hilfe holen und sind im zwischenmenschlichen Umgang besonders verträglich. 

Diese Gruppe zeigte auch eine veränderte und ausgedehntere Struktur in einem Teil des Vorderhirns (konkret im anterioren cingulären Cortex). Diese Hirnregion ist damit befasst, Emotionen in sozialen Situationen zu verarbeiten; außerdem ist sie verantwortlich für Resilienz. Auch das Risiko für psychische Erkrankungen ist mit diesem Hirnabschnitt assoziiert. „Wir wissen aus vorherigen Studien, dass auch Menschen mit psychischen Erkrankungen, die häufig weniger soziale Kontakte haben, stark von sozialen Kontakten profitieren“, sagt Dr. Gabriela Gan, eine der Erstautorinnen der Studie. „Daher ist es wichtig, den Austausch mit Menschen besonders in dieser Gruppe zu fördern.“

Soziale Kontakte bei Demenz
Wie gewichtig soziale Kontakte für unsere Gesundheit im täglichen Leben und vor allem auch in jeder Lebensphase sind, zeigt eine weitere Studie: So scheinen hauptsächlich nicht-pharmakologische Behandlungsoptionen depressive Symptome bei Patient*innen mit Demenz genauso gut oder sogar besser zu lindern als Antidepressiva, hieß es kürzlich im British Medical Journal. Ein Autor*innenteam unter der Leitung von Jennifer Watt, einer Spezialistin für Altersmedizin an der University of Toronto in Kanada, erstellte eine Metaanalyse von 256 Studien mit 28.483 Teilnehmer*innen mit Demenz, die an Depressionen litten oder auch nicht. Das Ergebnis: Antidepressiva sind nicht wirksamer als die nichtmedikamentöse Behandlung, von denen zehn Interventionen die Schwere der Depression signifikant reduziert haben.

Zu dem Therapiespektrum gehörten u. a. kognitive Stimulation, Bewegung, Gedächtnistherapie (um sich an Ereignisse, Menschen und Orte im Leben besser zu erinnern), Massage- und Berührungstherapie, multidisziplinäre Betreuung, Psychotherapie kombiniert mit Erinnerungstherapie und Veränderungen des Umfelds, Beschäftigungstherapie, Bewegung kombiniert mit sozialer Interaktion und kognitiver Stimulation sowie eine tiergestützte Therapie.

Das Fazit aus der Studie: Ärzt*innen sollten erwägen, in der Behandlung von depressiven Menschen mit Demenz mehr soziale Methoden anzuwenden. Die Studie sollte aber auch Pflegende und Therapeut*innen sowie politische Entscheidungsträger*innen und Heimleitungen ermutigen, solche Verfahren künftig vermehrt zu fördern.

Quellen:
idw-online.de, 28. Mai 2021
pharmazeutische-zeitung.de, 20. Mai 2021

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