Newsletter Februar 2021 - Gesundheitsinformationen im Internet sind vielfältig und in ihrer Qualität oft nicht leicht zu beurteilen. Kein Wunder, dass inzwischen fast 60 Prozent derjenigen, die sich online nach Krankheiten und ihrer Behandlung erkundigen, Schwierigkeiten haben, angesichts der vielen verschiedenen Informationsquellen den Überblick zu bewahren. Sie sind nicht ausreichend vorbereitet, um Gesundheitsrisiken richtig einzuschätzen, zu beurteilen und im Alltag umzusetzen. Das ergab jetzt eine Befragung der Universität Bielefeld in Kooperation mit der Hertie School Berlin an mehr als 2.000 Personen über 18 Jahre. „Ein Vergleich unserer Erhebungen zwischen 2014 und 2020 zeigt, dass sich die Gesundheitskompetenz sogar noch verschlechtert hat“, sagt Studienleiterin Prof. Dr. Doris Schaeffer von der Uni Bielefeld. Unter „Gesundheitskompetenz“ wird dabei die Fähigkeit verstanden, sich im Gesundheitssystem gut zurechtzufinden, um sich um die eigene Gesundheit zu kümmern. Vor sechs Jahren hatten 54 Prozent der Befragten – also 6 Prozent weniger – gesagt, dass sie sich im unüberschaubaren Angebot von Gesundheitsinformationen nicht gut orientieren können.

Grund für die zunehmende Verwirrung sind Menge, Vielfalt und Widersprüchlichkeit sowie Falsch- und Fehlinformationen. Drei Viertel der Befragten konnten schwer einschätzen, ob das, was ihnen da geboten wurde, wirklich vertrauenswürdig war oder nicht. „Gesundheitsinformationen sind inzwischen offenbar so vielfältig und unübersichtlich geworden, dass da nur noch Menschen mit einer guten Ausbildung durchblicken können. Hier baut sich eine neue Form von gesundheitlicher Ungleichheit auf“, sagt Prof. Dr. Klaus Hurrelmann von der Hertie School.

Kein Wunder, dass das Bundesgesundheitsministerium sich dessen angenommen und ein zentrales Portal www.gesund.bund.de etabliert hat, das „schnell, zentral, verlässlich, werbefrei und gut verständlich über alle Themen rund um Gesundheit und Pflege informieren“ will, wie Jens Spahn sagte. Für 2021 sind dafür 4,5 Millionen Euro bereitgestellt, für 2022 sogar 5 Millionen Euro. Um in dem Wust der Informationen die Nase vorn zu haben und eine Art Oberhoheit bei der Darstellung von Krankheiten und deren Therapien zu behalten, schloss Spahn sogar eigens einen Vertrag mit Google. Darüber hat er mit seinem Portal bei den Suchergebnissen stets die Nase vorn (GESUNDHEIT AKTIV berichtete im Dezember-Newsletter darüber).

Die Verlagsbranche sieht darin einen „beispiellosen Affront“ fürchtet zu Recht um die Pressefreiheit – ein entsprechendes Eilrechtsschutzverfahren, also eine Klage gegen die Kooperation zwischen Google und dem Bund, hatte der Burda-Verlag eingereicht; ein weiteres Verfahren des Wort-und-Bild-Verlag - Herausgeber der Apotheken-Umschau - ist beim Landgericht Berlin anhängig. Der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) wiederum sieht damit die Therapiefreiheit gefährdet und vermisst einen Hinweis auf die Beratung zu Medikamenten in den Apotheken vor Ort. „Auf welcher Grundlage wird eine nationale Gesundheitsinformation durch den Staat vorrangig angeboten?“, fragt der BAH. Das steht im Widerspruch zu einer patientenindividuellen Information und Beratung durch die Fachkreise auf der Basis der Fachgesellschaften: „Das kann die Balance innerhalb der Therapievielfalt stören und die Therapiefreiheit beeinflussen.“

Aktualisierung 10. Februar 2021 
Inzwischen entschied das Landgericht Münschen in der Klage Burda Verlag gegen Bundesgesundheitsministerium, dass die Kooperation den Kartellrecht widerspricht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der Bund und Google wollen das Urteil erst noch prüfen und dann entscheiden, ob sie in die Berufung gehen. „Diese Entscheidung des Landgerichts München ist ein erster wichtiger Schritt in einem grundsätzlichen Verfahren, in dem nichts weniger als die Freiheit der Presse verhandelt wird", kommentierte Burda-Vorstand Philip Welte die Entscheidung des Gerichts. „Indirekt subventioniert das Gesundheitsministerium mit Steuergeldern die Vermarktung des Suchmonopolisten Google, der neben dem staatlichen Medienangebot ungerührt Werbung verkauft. Diese Mesalliance zwischen der Regierung und dem Monopolisten Google ist fatal, weil sie den freien Wettbewerb außer Kraft setzt und Hand anlegt an ein zentrales demokratisches Prinzip unseres politischen Systems."

GESUNDHEIT AKTIV meint:
Natürlich gibt es im Internet eine Flut von Informationen zu einzelnen Krankheitsbildern und deren Therapiemöglichkeiten, geprägt von verschiedenen Interessensgruppen. Viele dieser Portale sind sehr geschickt gemacht, und nur wer genau hinschaut, das Impressum studiert und sich ein bisschen in der Branche auskennt, wird feststellen, dass die dort publizierten Informationen von bestimmten Interessen gesteuert sind. Mal ist sind es Pharmahersteller, die ihr jeweiliges Produkt als besonders hilfreich und wirksam herausstellen, mal einseitig orientierte Fachverbände. Da ist es durchaus nachvollziehbar, dass sich das Gesundheitsministerium in der Verantwortung sieht, um Licht in dieses Gestrüpp zu bringen. Nur: Auch die Sachbearbeiter*innen dieser Informationen aus dem Hause Spahn sind nicht frei von Interessen – federführend sind das Robert-Koch-Institut, das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und die Deutsche Krebsgesellschaft. Sie definieren, was richtig ist bei Diagnostik und Therapie. Es ist kaum anzunehmen, dass in diesem Portal Dinge stehen werden, die der Politik des Ministeriums oder dieser Institutionen zuwiderlaufen. Darüber hinaus kommen gesicherte Verfahren und Therapien aus dem Bereich Naturmedizin – und somit ein ganzheitlicher Blick auf Gesundheit und Krankheit – selten vor. Unseres Erachtens kann es nicht Aufgabe des Staates sein zu definieren, was den Bürgern gut tut. Nicht nur Wissenschaftler*innen und Institutionen sollten beteiligt werden, sondern vor allem die Bürger*innen selbst, wenn es darum geht zu klären, was „gute Gesundheitsinformationen“ eigentlich sind.

Das Ganze wird umso fragwürdiger, als das Portal des BMG künftig über die elektronische Gesundheitsakte direkt mit der Versorgung der Patient*innen verknüpft werden soll. Mit Therapiefreiheit hat das dann wahrlich nichts mehr zu tun. Und auch wenn das Netzwerk Evidenzbasierte Medizin ein Positionspapier „Gute Praxis bei Gesundheitsinformationen“ erstellt und dafür sogar eine Leitlinie definiert hat, so kann das doch immer nur eine Orientierung darstellen. Die Betroffenen – die Bürger*innen unseres Landes – wurden zudem in die Erstellung dieser Leitlinie gar nicht erst einbezogen. Jeder kranke Mensch ist ein Einzelfall und muss individuell behandelt werden. Es kann nicht sein, dass der Staat vorgibt, was dabei richtig und falsch ist, er kann allenfalls Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Betroffenen im Austausch mit Wissenschaftler*innen eine Legitimationsgrundlage für gute Gesundheitsinformationen schaffen.

Quellen:
idw-online, 25. Januar 2021
DAZ.online, 21. Januar 2021
kress-News, 9. Februar 2021
Steingarts Morning-Briefing, 9. Februar 2021
wuv.de, 10. Februar 2021
kress.de, 10. Februar 2021

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