Einsamkeit verleitet offenbar nicht selten zum Griff nach der Tablette, vor allem im Alter. Das ergab eine Studie der geriatrischen Abteilung des medizinischen Instituts der University of California in San Francisco an einer repräsentativen Gruppe von rund 6.000 Menschen über 65 Jahre, die im Fachblatt „JAMA Internal Medicine“ veröffentlicht wurde. Die Teilnehmer:innen gaben den Grad ihrer Einsamkeit an, parallel dazu wurde erfasst und analysiert, welche Medikamente sie einnahmen. Geachtet wurde dabei besonders auf Arzneimittel gegen physische und psychische Störungen, die mit Einsamkeit verbunden sind. Das sind z. B. Schmerzmittel wie nichtsteroidale Antirheumatika (ASS, Diclofenac u.a.) bis hin zu starken synthetisch hergestellten Substanzen, die eine morphinähnliche Wirkung haben (Opioide), sowie Beruhigungs- und Schlafmittel oder Antidepressiva.

Es zeigte sich, dass knapp die Hälfte der Befragten wenig bis moderat, 7 Prozent jedoch hochgradig einsam waren. Sie empfanden häufiger Schmerzen, Schlaflosigkeit, Depressionen, Ängste und verschiedene andere Krankheiten. Einsamkeit war dabei signifikant verbunden mit einem höheren Arzneimittelkonsum: Einsame Menschen verbrauchten doppelt so viele Antidepressivea, Beruhigungs- und Schlafmittel wie Personen, die sich nicht allein fühlten.

Die Studienautor:innen empfehlen deshalb, gerade bei alten und allein lebenden Menschen darauf zu achten, dass es genügend soziale Kontakte gibt und die Lösung nicht in der Verordnung von Arzneimitteln zu suchen.

GESUNDHEIT AKTIV meint:
Auch wenn es sich um US-amerikanische Daten handelt: Es ist schon absurd und ein altes Problem in der Medizin: Soziale Probleme werden medikalisiert. Menschen, die einsam sind, nehmen Anti-Depressiva, und das letztlich nur, um diesen Zustand aushalten zu können. Sie entwickeln vermehrt Schmerzen, wohl auch als Ausdruck ihrer seelischen Vereinsamung. Es sagt sich so leicht, dass für mehr soziale Kontakte gesorgt werden soll. Dem steht eine ganz andere Entwicklung entgegen: Haushalte in Deutschland werden tendenziell immer kleiner – dies ist seit Beginn der statistischen Erfassung Ende der 1950er-Jahre zu beobachten. Seit Mitte der 1970er-Jahre sind die Einpersonenhaushalte hierzulande der häufigste Haushaltstyp. Allein zwischen 1991 und 2019 nahm ihre Zahl von 11,9 auf 17,6 Millionen zu, wie die Daten der Bundeszentrale für Politische Bildung zeigen. Dieses Problem kann nicht im Gesundheitswesen allein gelöst werden. Aber vielleicht wäre es eine Anregung, Menschen aus der medizinischen Versorgung heraus auf niedrigschwellige Möglichkeiten hinzuweisen, wie sie anderen Menschen begegnen können. Vielleicht könnte auf Rezepten zukünftig statt eines Arzneimittels der Besuch von Angeboten zum gemeinsamen Kochen oder Spazierengehen stehen …?

Quellen:
DAZ.online, 30. August 2021
pharmazeutische-zeitung.de, 3. August 2021
JAMA Internal Medicine, 26. Juli 2021

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