Newsletter Juni 2021 - Zwar hat der Deutsche Bundestag inzwischen das "Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz" (GVWG) in zweiter und dritter Lesung beschlossen, aber viel wird sich dadurch nicht verbessern, selbst wenn Pflegekräfte damit etwas besser bezahlt werden und Pflegebedürftige und deren Angehörige damit entlastet werden sollen. Von einer umfassenden Pflegereform kann jedenfalls keine Rede sein. 

Eine „erschütternde Zwischenbilanz“ zog der Verbund Pflegehilfe: Nach wie vor gibt es kaum Lockerungen in den Pflegeheimen, pflegende Angehörige werden bei den Impfterminen oft nicht bevorzugt, Corona-Sonderleistungen durch die Pflegekassen meist abgelehnt. Und das, wo es jetzt überall wieder leichter wird – nur nicht für die Pflegebedürftigen. Die größten Probleme liegen in den Finanzen. Pflegehilfsmittel wie Mundschutz und Desinfektionsmittel werden von den Pflegekassen nicht erstattet, die Angehörigen können die Kosten dafür aber kaum selbst bestreiten, weil sie oft selbst durch Corona hohe finanzielle Einbußen erlitten. Die Kassen reden sich meist damit heraus, dass diese Hilfsmittel nur professionellen Pflegedienste zustünden. „Das stimmt nicht“, betont Johannes Haas, Geschäftsführer des Verbunds Pflegehilfe. „Alle Personen mit Pflegegrad haben das Recht auf Pflegehilfsmittel zum Verbrauch, völlig unabhängig davon, ob man einen Pflegedienst beschäftigt oder nicht. Leistungen unter diesem Vorwand abzulehnen, ist nicht legitim.“

Dramatisch ist die Situation offenbar auch in vielen Pflegeheimen, wo es bislang keine flächendeckenden Lockerungen gibt und die nunmehr schon über anderthalb Jahre anhaltende Isolation weiter andauert. Für die Pflegebedürftigen ist das ein unhaltbarer Zustand. Bei vielen sei die „Psyche am Ende, sie halten es nicht mehr aus“, sagt Haas. Nicht wenige haben sich aus dieser verzweifelten Situation heraus das Leben genommen.

Demgegenüber bescheinigt sich die Bundesregierung „Fortschritte in der Pflege“: „Von den jüngsten Pflegereformen haben sowohl Pflegebedürftige wie auch Pflegekräfte stark profitiert“, so der 7. Pflegebericht, den das Bundeskabinett am 19. Mai verabschiedete. Viele Menschen erhielten jetzt höhere Leistungen. Die Anzahl der Menschen, die Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung haben, sei um 50 Prozent auf ca. vier Millionen gestiegen. Auch die Mindestlöhne in der Langzeitpflege seien erhöht und erstmals Mindestlöhne für Pflegefachkräfte eingeführt worden.

Der Pflegerat indes bewertet dies eher skeptisch und hält diese Aussagen für wenig relevant. Der reine Zuwachs an „Köpfen“ könne durch einen höheren Anteil an Teilzeit sogar ein Stellenminus bedeuten.

Der „Rat der Arbeitswelt“ hat deshalb unverzüglich Verbesserungen für die Pflege gefordert und auch die Wohlfahrtsverbände (Caritas, Diakonie) dringen auf eine zügige Pflegereform, und zwar noch vor der Bundestagswahl. Das System kranke weiterhin an maßgeblichen Stellen: schlechte Bezahlung, mangelnde Fachkräfte, fragliche Qualifikationen. „Wir wollen, dass künftig nur noch Anbieter, die Tarifregelungen vorweisen können, durch die Kassen zur Pflege zugelassen werden“, sagt Caritas-Präsident Peter Neher. Das müsse noch vor der Wahl geregelt werden. Auch die Eigenanteile der Pflegebedürftigen müssten überschaubar bleiben, fordert Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Zurzeit lägen sie mit bald mehr als 3.000 Euro „jenseits jeder vernünftigen Grenze“. Pflege dürfe kein Luxusgut sein.

Quellen:
Presseerklärung des Verbunds Pflegehilfe, 19. Mai 2021
aerzteblatt.de, 19., 20. und 21. Mai 2021

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