Erneut stellt die Bundesregierung eine Milliarde Euro als Prämie zur Verfügung, um damit den Einsatz von Pflegekräften und andere Beschäftigten, die während der Corona-Zeit besonders belastet waren zu würdigen. Was als Wertschätzung und finanzielle Entlastung gedacht war, stößt allerdings vielerorten auf harsche Kritik, wie sich in einer Anhörung im Gesundheitsausschusses des Bundestags Ende April zeigte. Bislang soll der Bonus an Krankenhäuser und stationäre Pflegeeinrichtungen ausgezahlt werden, laut vielen anderen Akteuren im Gesundheitswesen greift das aber viel zu kurz. So äußerte beispielsweise der Deutsche Hebammenverband man „habe keine Worte, dass die Hebammen vergessen“ worden seien. Aber auch die Heilmittelverbände und Vertreter der medizinischen Fachberufe kritisierten die Vergabepraxis, denn auch die Heilmittelerbringer oder Laborangestellte, Medizinische Fachangestellt und andere Beschäftigte sollten den Bonus erhalten, denn auch sie wären während der Pandemie über Gebühr belastet gewesen. Auch der stellvertretende Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Stephan Hofmeister, erklärte, gerade der ambulante medizinische Bereich habe doch den größten Teil der Corona-Patient:innen versorgt und sowohl beim Impfen und wie auch Testen einen großen Teil der Aufgaben übernommen, daher sei ein Bonus hier wohl „angemessen und notwendig“. Und selbst da, wo die Auszahlung der Prämie vorgesehen ist, sorgt sie für Kritik, denn die Festlegung der Personengruppen, die Geld erhalten sollen, erscheint beispielsweise dem Deutschen Pflegerat sehr ungerecht. Insgesamt also ein recht unbefriedigender Stand der Dinge. Vor allem wenn man einmal genauer hinsieht, was am Ende dann bei den Berechtigten ankommt – der Höchstbetrag (für Vollzeitbeschäftigte in der Pflege) beträgt 550 Euro. Das ist sicher besser als nichts, aber auch nicht viel mehr als eine Geste.

Quelle: Ärzteblatt, 27.04.2022

GESUNDHEIT AKTIV meint

Es ist das übliche Spiel: Hier wird etwas verteilt und es bilden sich immer neue Schlangen… am Ende reicht es nicht und alle sind unzufrieden. Ein Trauerspiel, wenn man bedenkt, worum es eigentlich gehen sollte: Die Wertschätzung insbesondere der Pflegenden und eine Anerkennung ihrer Leistungen während der Pandemie. An dem Protest dagegen lässt sich ablesen, wie betroffen viele andere Berufsgruppen waren während der Pandemie und wie wenig das im Blick der Öffentlichkeit war und ist. Dennoch ging es insbesondere um die Pflege, ein Berufsfeld, was zunehmend in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit geraten ist, da immer mehr Menschen diesen Beruf verlassen. Geld allein wird dies nicht heilen. Es geht in Wirklichkeit um eine überkommene Rollenvorstellung diesem Beruf gegenüber, die leider auch in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen vorherrscht. In Deutschland gilt es nach wie vor als Ziel des gesellschaftlichen Aufstieges, möglichst vom Schreibtisch aus zu arbeiten. Akademisierung z.B. in der Pflege wird zudem oft als Möglichkeit angesehen, den oft katastrophalen Arbeitsbedingungen an der Basis zu entkommen. Die Wertschätzung und Aufwertung der Pflegeberufe würde daher primär in einer ernst gemeinten Neuorientierung bestehen: Sorgearbeit muss aufgewertet werden, weil sie immer mehr dasjenige vermittelt, was uns heute am meisten fehlt: authentische Begegnung, Empathie und wissenschaftlich basierte, humane Kompetenz im Umgang mit schwer kranken Menschen. Dazu werden sich auch die klassischen Rollenzuschreibungen von Pflegenden, Therapeut:innen und Ärzt:innen verändern müssen mit mehr Augenhöhe und Bewusstsein für die jeweilige Kompetenz der anderen Berufsgruppe. Ökonomisch wäre es u.U. interessant, neben der ärztlichen vor allem auch die Pflegequalität zu priorisieren. Menschen in medizinischen Berufen sind – das zeigen viele empirische Untersuchungen immer wieder – zufrieden, wenn sie den Raum haben, ihre Arbeit den eigenen Ansprüchen gemäß verrichten zu können. Politik wäre gut beraten, Bedingungen dafür zu schaffen, den Kulturwandel endlich zu ermöglichen.

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