Eigentlich ist das alles gar nicht zu fassen: Nach zweieinhalb Jahren Pandemie erfährt die Republik von einer regierungsamtlich bestellten Kommission, dass die Corona-Maßnahmen kaum zu bewerten seien aufgrund fehlender Daten. Man liest zudem, dass die am weitesten eingreifende Maßnahme, der Lockdown, wohl – wenn überhaupt – nur am Anfang der Pandemie Sinn gehabt hat und dass es für die massiven Grundrechtseingriffe mit Zugangsbeschränkungen kaum zuverlässige Grundlagen gegeben hat. Bereits früh waren, nicht zuletzt auch von GESUNDHEIT AKTIV, begleitende Untersuchungen eingefordert worden: Repräsentative Zufallsstichproben, Kohortenstudien, aussagekräftige Erfassung der realen Beanspruchung der Krankenhäuser und anderes, mit dem man einen Teil der Bevölkerung fortlaufend hätte beobachten können. All dies wäre durchaus möglich gewesen und hätte wohl in einem angemessenen Kosten- Nutzen-Verhältnis gestanden. Wir wüssten heute mehr darüber, wie viele der Corona-Toten tatsächlich am Virus oder nur im Zusammenhang mit dem Virus verstorben sind. Oder wir könnten bessere Aussagen über die tatsächlichen Auswirkungen von Schulschließungen etc. hierzulande machen.

Nicht anders steht es um die Bewertung der Impfungen und ihrer Nebenwirkungen. Der Chef einer bekannten Betriebskrankenkasse wurde entlassen, nachdem er vor einigen Monaten gewarnt hatte: Eigene Daten hätten gezeigt, dass es viel häufiger, als erwartet zu unerwünschten Wirkungen durch die Impfungen gekommen sei. Die seinerzeit von ihm vorgelegten Daten werden heute zumindest teilweise bestätigt durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Laut KBV haben sich knapp 2,5 Millionen Patienten wegen Impfnebenwirkungen beim Arzt vorgestellt, was bei 153 Millionen Corona Impfungen 1,4 Prozent ausmacht. Demgegenüber sind in einem vergleichbaren Zeitraum beim Paul-Ehlich-Institut (PEI) zwischen Ende 2020 und dem 31. März dieses Jahres 296.233 Meldungen zu Nebenwirkungsverdachtsfällen eingegangen. Diese Zahlen sind allerdings nicht wirklich vergleichbar. Sie zeigen vor allem, wie wenig wir eigentlich wissen, auch wenn der heutige Bundesgesundheitsminister noch im Herbst von einer „nebenwirkungsfreien Impfung“ gesprochen hat. Wenn Impfnebenwirkungen und deren Meldung überdies zu einer politischen Aussage stilisiert werden, kann man wohl kaum mehr von einer realistischen Erfassung ausgehen. Dieser Minister behauptete übrigens kürzlich in der Talk-Runde von Anne Will auch, dass viele Maßnahmen ohnehin „hochplausibel“ seien. Man brauche daher eigentlich keine Untersuchungen zu einer nachgewiesenen Wirksamkeit und bemühte einen mehr als schrägen Vergleich: Fallschirme immerhin brauchten auch keine Evidenz, sie wirkten einfach. Na ja…, der Eingriff in die Grundrechte von 80 Millionen Menschen scheint doch etwas komplexer zu sein als ein Fallschirmsprung.

Es bleibt daher ein fader Geschmack übrig, wenn ein Land wie Deutschland nicht in der Lage ist, die an der Bevölkerung in bisher ungekannter Weise vollzogenen Maßnahmen angemessen zu beforschen: „Auf eine umfassende pandemiebegleitende Forschung zu verzichten, be­ein­trächt­igt daher die Qualität des Krisenhandelns. So haben Regierungen in der SARS-CoV-2 Krise als Reaktion auf die Ausbreitung von SARS-CoV-2 sogar wie­der­holt Maßnahmen ergriffen, deren Unwirksamkeit bereits hin­läng­lich in der Literatur bestätigt oder stichhaltig begründet waren, bei­spiels­wei­se Grenz­schließungen“ (S.25 des Kommissionsberichts). Könnte es sein, dass die handelnden Politiker einfach kein Interesse daran hatten, ihre massiven Eingriffe ordentlich bewerten zu lassen? Und, wenn ja, warum haben andere Länder, wie Dänemark oder Großbritannien das besser hinbekommen?

Die Kommission macht auch sehr deutlich auf die Nebeneffekte der sogenannten nichtmedizinischen Maßnahmen aufmerksam: “Die bislang ersichtliche Bandbreite der nicht-intendierten Wirkungen der Lock­down-Maßnahmen ist erheblich. Sie reichen von der
 • Verschlechterung der Grundgesundheit durch verschobene medizinische Be­handlungen,
 • nicht erkannte Erkrankungen und damit Einschränkung der Be­hand­lungs­op­tionen,
 • Einbußen an Bildungsqualität und -angeboten insbesondere für sozial Be­nach­teil­igte,
 • Steigerung der häuslichen Gewalt gegenüber Frauen und Kindern,
 • Verschiebungen von Geschlechterrollen,
 • Zunahme von psychischen Erkrankungen und Verlusterlebnissen durch Tod bis hin zu
   existentiellen Nöten
 und haben auch gesamtgesellschaftlich große ökonomische und soziale Folgen.” (S.82).

Und jetzt? Statt sich zu stellen, werden die Überbringer der Botschaft angegriffen. Vielen Politiker:innen, vielen Medienvertreter:innen fällt nichts Besseres ein, als die Kommission selbst dafür zu kritisieren, dass sie angeblich mit zu wenigen Virologen besetzt gewesen sei oder wiegeln ab. All dies nährt eher Skepsis und führt zu Misstrauen gegenüber der Politik und dem von ihr geschürten Alarmismus der letzten Zeit. In Dänemark beispielsweise hat man ein erheblich pragmatischeres Verhältnis zur Pandemie. Aufgrund der vorhandenen Strukturen mit großen Melderegistern ist man in der Lage, die Situation „just in time“ realistisch zu bewerten und dadurch auch zu entpolitisieren. Corona ist dort – auch bei durchaus wachsamer Beobachtung möglicher problematischer Varianten – kein großes Thema in der Öffentlichkeit.

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