Das hat es noch nie gegeben, und es ist ein wichtiger Schritt in der Evaluation der nicht-konventionellen Methoden in der Krebstherapie: Das Leitlinienprogramm Onkologie hat unter der Federführung der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO), der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) die S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen Patient*innen“ erarbeitet“ (zusätzlich gibt es eine Kurzversion, einen Leitlinienreport sowie Evidenztabellen).

In der Leitlinie werden die wichtigsten komplementärmedizinischen Verfahren, die derzeit in Deutschland eingesetzt werden, nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin bewertet. Dabei geht es um vier große Themen:

  • Medizinische Systeme wie Akupunktur, Akupressur, Anthroposophische Medizin, Homöopathie und klassische Naturheilverfahren
  • Mind-Body-Verfahren wie Meditation, Mindfulness-based Stress Reduction (MBSR), multimodale und Integrative Verfahren, Tai Chi und Chi Gong sowie Yoga
  • Manuelle Körpertherapien wie Reiki, „healing touch“, Chirotherapie, Osteopathie, Craniosakral-Therapie, Hyperthermie, Reflexthereapie, Massagen, Shiatsu/Tuina, Sport und Bewegung
  • Biologische Therapien wie Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, pflanzliche Mittel (Phytotherapie), Misteltherapie, sekundäre Pflanzenstoffe.

An der Abfassung der Leitlinie waren neben 72 ehrenamtlich arbeitenden Fachexpert*innen aus 46 Fachgesellschaften und Organisationen auch Selbsthilfegruppen von Patient*innen beteiligt, insbesondere der Bundesverband der Kehlkopfoperierten, der Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe, die Frauenselbsthilfe nach Krebs sowie das BRCA-Netzwerk Hilfe bei familiärem Brust- und Eierstockkrebs.

Auf den 630 Seiten der Langfassung mit 155 Empfehlungen und Statements wird deutlich, dass es immer noch viel zu wenig Forschung zu diesen Verfahren gibt, denn bei vielen mangelt es an qualitativ hochwertigen Studien, die ein höheres Level der Evidenz darstellen könnten und somit auch eine besser gestützte Empfehlung. Hier sind vor allem staatliche Institutionen wie die Bundes- und Landesgesundheitsministerien sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft, aber auch die Deutsche Krebsgesellschaft und die Deutsche Krebshilfe gefordert, für eine bessere Evidenz zu sorgen und Studien aufzulegen.

Bei den meisten Verfahren wird eine „Kann“-Empfehlung abgegeben, und oft heißt es, dass von der Methode weder ab- noch zugeraten werden kann. Dennoch gibt diese Leitlinie erstmal einen Überblick über die wichtigsten Verfahren und auch eine erste Orientierung für Interessierte. Und sie geben auch Auskunft darüber, ob und wie sich die Methoden mit den konventionellen Verfahren in der Krebstherapie vertragen, ob Wechselwirkungen zu erwarten sind und wenn ja, welche. 

Quellen:
idw-Nachrichten, 26. Juli 2021
aerzteblatt.de., 26. Juli 2021

Hinweis:
Ausführliche Informationen zur Misteltherapie finden sich auch unter misteltherapie.de

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